Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersetzung der Einwilligung des Kindsvaters zur Einbenennung des Kindes
Normenkette
BGB § 1618
Verfahrensgang
AG Gelnhausen (Beschluss vom 02.03.2021; Aktenzeichen 65 F 510/20) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Einwilligung des Kindesvaters, dem betroffenen Kind den Ehenamen A zu erteilen, wird ersetzt.
Die Gerichtskosten für das erstinstanzliche Verfahren und des Beschwerdeverfahrens werden den Kindeseltern jeweils zur Hälfte auferlegt; von der Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten wird abgesehen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Aus der nichtehelichen Beziehung der getrenntlebenden Eltern ging 2014 ihr Sohn B hervor, der bei seiner alleine sorgeberechtigten Mutter lebt. Die Kindesmutter heiratete 2018 und nahm den Namen ihres Ehemanns "A" an. Am XX.XX.2018 kam ihre Tochter C zur Welt, die ebenfalls diesen Nachnamen trägt.
Zwischen Vater und Sohn gibt es seit drei Jahren keinerlei persönlichen Kontakt mehr, der Vater hat sich zu den beiden B betreffenden gerichtlichen Sorgerechtsverfahren nicht gemeldet und ist auch unentschuldigt nicht zu den dort anberaumten Anhörungsterminen erschienen.
Die Kindesmutter trägt vor, B werde durch die Namensdifferenz außerordentlich belastet. Dritten gegenüber reagiere er deshalb empfindlich, er sei geknickt oder aggressiv. Zu seinem leiblichen Vater habe er keinerlei Bindung. Eine Teilnahme des Vaters am Leben des Kindes finde nicht statt.
Mit an das Amtsgericht gerichtetem Schreiben vom 18.06.2021 beantragte die Kindesmutter die Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters zur Einbenennung. Der Kindesvater hat sich in erster Instanz nicht gemeldet und sich zur Sache auch sonst nicht geäußert.
Der Rechtspfleger bei dem Amtsgericht hat B und die Kindesmutter persönlich angehört. Das Jugendamt befürwortete mit schriftlicher Stellungnahme vom 10.02.2021 angesichts des auffälligen Desinteresses des Kindesvaters an B und des Bedürfnisses des Kindes nach einer Integration in seine familiäre Bezugsgruppe im Interesse seiner Identitätsfindung und damit des Kindeswohls den Antrag auf Einbenennung. Auch die vom Amtsgericht bestellte Verfahrensbeiständin empfahl, dem Begehren der Kindesmutter zu entsprechen.
Das Amtsgericht hat den Antrag der Kindesmutter mit Beschluss vom 02.03.2021 zurückgewiesen. Eine Ersetzung, die eine umfassende Abwägung der Beteiligteninteressen voraussetze, sei nur in hierzu verneinenden Ausnahmefällen vorzunehmen. Sie habe zu unterbleiben, wenn die Trennung des Namensbandes aus Gründen des Kindeswohls nicht unabdingbar notwendig sei. Daran fehle es hier, denn allein der Wunsch des Kindes oder Irritationen, die auch andere Ursachen haben könnten, reichten nicht aus. Die altersgerechte Aufarbeitung der Biografie des Jungen sei die Klärung seiner Herkunft von einem anderen leiblichen Vater als Herrn A sei hier vorrangig.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 04.03.2021 zugestellten Beschluss wendet sich die Kindesmutter mit ihrer am 29.03.2021 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie weiter die Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters anstrebt. Der Kindesvater hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in zweiter Instanz vor dem dazu mit Senatsbeschluss vom 17.05.2021 beauftragten Berichterstatter, zu der er nach Androhung von Zwangsmitteln erschienen ist, erklärt, dem Jungen sei es doch in Wirklichkeit egal, wie er mit Nachnamen heiße; sein Wunsch sei von seiner Mutter beeinflusst worden. Er, der Vater, jedenfalls sei hundertprozentig gegen die Einbenennung.
Die Verfahrensbeiständin hat im Rahmen des Beschwerdeverfahrens Stellung genommen und befürwortet die Namensänderung weiterhin.
II. Die nach §§ 58 ff FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Kindesmutter hat auch in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Ersetzung der fehlenden Einwilligung des Kindesvaters in die Einbenennung Bs sind erfüllt, weil die Namensänderung nach Überzeugung des Senats zum Wohl des Kindes erforderlich ist, § 1618 S. 4 BGB. Dabei geht der Senat (ebenso OLG Frankfurt FamRZ 2020, 591; OLG Brandenburg FamRZ 2014, 570; a. A. OLG Hamm FamRZ 2020, 1918) davon aus, dass es keiner Kindeswohlgefährdung bedarf, damit die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ersetzung erfüllt sind. Vielmehr ist die (niedrigere) Schwelle der Erforderlichkeit ausreichend. Dafür spricht zunächst der Wortlaut des § 1618 S. 4 BGB, "zum Wohl des Kindes erforderlich". Der Gesetzgeber differenziert im materiellen Kindschaftsrecht zwischen den verschiedenen Kindeswohlmaßstäben ("dient" - § 1685 Abs. 1 BGB, "nicht widerspricht" - § 1626 a Abs. 2 S. 2 BGB, "am besten entspricht" - § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, "erforderlich" - §§ 1631 b Abs. 1 S. 2, 1684 Abs. 1 S. 1 BGB, "gefährdet" - §§ 1666 Abs. 1, 1684 Abs. 1 S. 4 BGB; vgl. OLG Frankfurt aaO.). Dass sich der Maßstab der Erforderlichkeit dabei von dem der Gefährdung wese...