Entscheidungsstichwort (Thema)
Ergänzungspfleger trotz Wechselmodell für Geltendmachung von Kindesunterhalt
Leitsatz (amtlich)
Wird ein minderjähriges Kind von seinen miteinander verheirateten Eltern im Wechselmodell betreut, so bedarf es auch nach der Entscheidung des BGH vom10.4.2024 - XII ZB 459/23 für die Geltendmachung des Kindesunterhalts der vorherigen Bestellung eines Ergänzungspflegers oder der teilweisen Übertragung des Sorgerechts nach § 1628 BGB. § 1629 Abs. 3 BGB ist hier nicht analog anzuwenden (entgegen OLG Karlsruhe NJW 2024, 1890)
Normenkette
BGB §§ 1628, 1629 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Darmstadt (Beschluss vom 07.05.2024; Aktenzeichen ...) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Hilfsantrag des Beteiligten zu 2., ihm die Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt für das Kind Vorname1 B, geb. am XX.XX.2009, zur alleinigen Ausübung zu übertragen, wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 2. (im Folgenden Kindesvater) und zu 3. (im Folgenden Kindesmutter) streiten im Verfahren nach § 1628 BGB um die Vertretungsbefugnis ihrer am XX.XX.2009 geborenen Tochter bei der gerichtlichen Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen.
Die noch verheirateten Kindeseltern lebten mit ihren beiden Töchtern zunächst in Land1. Im September 2022 zog der Kindesvater mit dem betroffenen Kind nach Deutschland. Die Kindesmutter blieb mit der älteren Tochter, die zwischenzeitlich volljährig ist, in Land1, damit diese dort noch das Abitur ablegen konnte. Seit spätestens Januar 2023 leben die Kindeseltern getrennt. Das Scheidungsverfahren ist zwischenzeitlich unter dem Aktenzeichen ... bei dem Amtsgericht anhängig. Seit März/April 2023 stand der Kindesmutter eine Wohnung in Stadt1 zur Verfügung. Spätestens seit Juni 2023 wohnt und arbeitet die Kindesmutter in Stadt1. Spätestens seit Dezember 2023 wechselt die gemeinsame Tochter wöchentlich zwischen den Haushalten der Eltern und wird dann von dem jeweiligen Elternteil versorgt und betreut. Gemeldet ist die Tochter weiter am Wohnsitz des Kindesvaters. Beide Eltern sind berufstätig. Die Kindesmutter hat ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 2.530,00 Euro und der Kindesvater von ca. 5.685,00 Euro.
Mit Schreiben vom 16.08.2023 forderte die Kindesmutter den Kindesvater zur Erteilung einer Auskunft über seine monatlichen Einkünfte auf und verlangte die Zahlung von 469,00 Euro Kindesunterhalt für das betroffene Kind. Der Kindesvater forderte daraufhin auch die Kindesmutter zur Erteilung von Auskünften zwecks Berechnung ihres Unterhaltanteils auf. Das Familiengericht hat der Kindesmutter auf ihren Antrag in einem unter dem Aktenzeichen ... geführten einstweiligen Anordnungsverfahren durch Beschluss vom 11.12.2023 einstweilen die Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt übertragen. Den Widerantrag des Kindesvaters hat es zurückgewiesen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde hat der Senat unter dem Aktenzeichen ... wegen Fristversäumnis als unzulässig verworfen. Auf Antrag des Kindesvaters hat das Amtsgericht der Kindesmutter nach § 52 Abs. 2 FamFG eine Frist von einem Monat ab 20.02.2024 zur Beantragung der Einleitung des Hauptsacheverfahrens gestellt. Mit Schriftsatz vom 19.03.2024 hat die Kindesmutter den Antrag auf Einleitung des Hauptsacheverfahrens gestellt verbunden mit dem Antrag, den Beschluss vom 11.12.2023 aufrechtzuerhalten. Der Schriftsatz wurde durch die Rechtsanwältin der Kindesmutter persönlich auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) eingereicht und bei Gericht über das elektronische Gerichtspostfach empfangen. Er war am Ende mit den Worten "C Rechtsanwältin" versehen. Das von der Kindesmutter eingeleitete Unterhaltsverfahren ist unter dem Aktenzeichen ... bei dem Amtsgericht anhängig.
Die Kindesmutter hat erstinstanzlich beantragt, ihr gemäß § 1628 BGB die Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt für das gemeinsame Kind Vorname1 B, geboren am XX.XX.2009, allein zu übertragen mit der Maßgabe, dass die Übertragung rückwirkend bereits ab August 2023 wirkt.
Der Kindesvater hat beantragt, den Antrag als verspätet zurückzuweisen. Er sei nicht innerhalb der Frist des § 52 Abs. 2 FamFG wirksam eingereicht worden, weil die erforderliche qualifizierte elektronische Signatur gefehlt und weitere Formerfordernisse nicht eingehalten worden seien (großes Rubrum, Begründung, Unterlagen).
Der Antrag sei auch unbegründet, weil im August 2023 jedenfalls noch kein paritätisches Wechselmodell bestanden habe. Er sei trotz des aktuell gelebten 50/50-Modells der Auffassung, dass er mehr tue als die Kindesmutter und einen größeren finanziellen Aufwand trage.
Das Amtsgericht hat die Sache in einem Termin erörtert und die Kindeseltern sowie das betroffene Kind angehört. Wegen des Ergebnisses der Erörterung und der Anhörung der Eltern...