Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zuständigkeit nach § 24 ZPO für schuldrechtliche Klage auf Löschungsbewilligung
Leitsatz (amtlich)
1) Macht der Kläger mit der Klage verschiedene Ansprüche geltend, ist die Verweisung des gesamten Rechtsstreites durch das tatsächlich für alle Ansprüche zuständige Gericht nicht nach § 281 ZPO Abs. 2 Satz 4 bindend, wenn das angerufene Gericht lediglich hinsichtlich einzelner Ansprüche seine (vermeintliche) Unzuständigkeit vertretbar begründet hat.
2) Für schuldrechtliche Klagen auf Erteilung einer Löschungsbewilligung für Grundpfandrechte besteht jedenfalls dann kein ausschließlicher Gerichtsstand nach § 24 ZPO am Belegenheitsort des Grundstücks, wenn es sich dabei lediglich um einen Annex zu weiter gehenden schuldrechtlichen Ansprüchen, etwa im Zusammenhang mit dem Widerrufeines den Sicherheitszweck begründenden Darlehens, handelt.
Normenkette
ZPO §§ 24, 26 Abs. 1 Nr. 6, §§ 36, 281
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 20.09.2015; Aktenzeichen 2-19 O 95/15) |
Tenor
Das LG Frankfurt am Main wird als das zuständige Gericht gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bestimmt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt - als Erbin ihres Vaters - die Feststellung, dass ein von ihrem Vater geschlossener Darlehensvertrag mit der Beklagten durch Widerruf beendet worden sei und sie nur noch einen Betrag in Höhe von EUR 58.169,78 schulde. Außerdem begehrt sie die Verurteilung der Beklagten, ihr eine löschungsfähige Quittung hinsichtlich näher benannter Grundschulden zu erteilen. Die Grundschulden betreffen Belastungen eines im Bezirk des LG A belegenen Grundstücks.
Der Erblasser schloss mit der Beklagten einen Darlehensvertrag im Jahre 2009 über 66.900 EUR. Zur Sicherheit trat er der Beklagten zwei Grundschulden ab. Die Klägerin behauptet, dass die ursprüngliche Widerrufsbelehrung des Darlehensvertrags unwirksam sei. Ihr am 7.10.2014 erklärter Widerruf des Darlehensvertrages sei deshalb fristgerecht erfolgt.
Mit Verfügung vom 4.5.2015 hat das LG Frankfurt am Main auf Bedenken hinsichtlich seiner örtlichen Zuständigkeit hingewiesen. Das LG Kempten sei gem. § 24 ZPO zuständig, da vorliegend die Erteilung einer Verzichtserklärung im Sinne von § 1168 Abs. 2 BGB für ein im Zuständigkeitsbereich des LG Kempten liegendes Grundstück begehrt werde. Die Klägerin beantragte daraufhin die Verweisung des Rechtsstreits an das LG Kempten.
Die Beklagte vertrat dagegen in ihrer umfassenden Stellungnahme und unter Hinweis auf umfangreiche entgegenstehende Rechtsprechung die Ansicht, dass die Voraussetzungen eines ausschließlichen Gerichtsstandes gem. § 24 ZPO hier nicht vorliegen würden. Es gehe allein um die Frage, ob der Grund für den Abschluss des Sicherheitenvertrages weggefallen sei.
Das LG Frankfurt am Main am Main hat sich mit Beschluss vom 27.7. 2015 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG Kempten verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der begehrten Erteilung einer Löschungsbewilligung für ein Grundstück handele es sich um eine dingliche Streitigkeit i. S. von § 24 ZPO. Gleichgültig sei dabei, ob die Befreiung von der Belastung lediglich aufgrund eines schuldrechtlichen Anspruchs verlangt werde. Dem stehe die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.6.1970 (NJW 1970,1789 [BGH 26.06.1970 - V ZR 168/67]) nicht entgegen.
Das LG Kempten hat mit Beschluss vom 17.8.2015 die Übernahme des Verfahrens abgelehnt, weil nicht die Freiheit von einer dinglichen Belastung geltend gemacht, sondern primär die Feststellung begehrt werde, dass ein Darlehensvertrag wirksam widerrufen worden sei. Die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer dinglichen Belastung sei nicht im Streit. Die begehrte Erteilung einer löschungsfähigen Quittung sei lediglich ein Annex zu den Klageanträgen 1 und 2. Die Verweisung sei demnach willkürlich.
Mit Beschluss vom 20.9.2015 hat das LG Frankfurt am Main den Rechtsstreit dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt. Die Beklagte hat auch im Rahmen des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens ihre Ansicht vertieft, dass für § 24 ZPO vorliegend kein Raum sei. § 24 ZPO beziehe sich nur auf die Freiheit von dinglichen Belastungen, nicht jedoch die Freigabe.
II. Das LG Frankfurt am Main ist zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig.
1. Der Verweisungsbeschluss des LG Frankfurt am Main ist ausnahmsweise nicht bindend. Grundsätzlich sind allerdings Verweisungsbeschlüsse im Interesse der Prozessökonomie sowie zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten und dadurch bewirkter Verzögerungen und Verteuerungen in der Gewährung effektiven Rechtsschutzes unanfechtbar und nach§ 281 Abs. 2 S. 4 ZPOfür das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht erlassenen Verweisungsbeschluss der Nachprüfung (BGH NJW 2006, 847; NJW-RR 2008, 1309 [BGH 27.05.2008 - X ARZ 45/08]). Einem Verweisungsbeschluss kann die gesetzlich vorgesehene bindende Wirkung nur dann abgesprochen werden, wenn er schlechterdings nicht als im Ra...