Entscheidungsstichwort (Thema)
Namensrecht
Leitsatz (redaktionell)
Ein Kind, das nach dem Inkrafttreten des FamNamRG geboren wurde, kann nicht den Doppelnamen erhalten, den sein älteres Geschwisterteil führt;
Die Namensgleichheit des Kindes lässt sich dadurch herbeiführen, dass das zuerst geborene Kind den nach dem Übergangsrecht wirksam erworbenen Doppelnamen wieder verliert.
Normenkette
BGB § 1616 Abs. 2, § 1616 S. 1, § 1355 Abs. 3, § 1616a
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 16.02.1995; Aktenzeichen 2-09 T 758/94) |
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 08.11.1994; Aktenzeichen 40 UR III B 131/94) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 8. November 1994 werden aufgehoben.
Der Standesbeamte des Standesamts Frankfurt am Main ist nicht gehalten, für das eingangs näher bezeichnete Kind den Geburtsnamen … einzutragen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet in allen drei Rechtszügen nicht statt.
Der Geschäftswert beträgt für alle drei Rechtszuge 5.000,– DM.
Gründe
Die Beteiligten zu 2) und 3) schlössen am 14.4.1992 vor dem Standesbeamten die Ehe. Sie führen keinen gemeinsamen Ehenamen. Die Beteiligte zu 2) führt den Namen …, der Beteiligte zu 3) den Namen … Für das am 17.6.1992 geborene erste gemeinsame Kind ist der von ihnen bestimmte, aus ihren Familiennamen zusammengesetzte Doppelname … im Geburtenbuch eingetragen worden.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben bei dem zuständigen Standesamt die Erklärung abgegeben, daß auch für ihre Tochter … der Familienname … im Geburtenbuch eingetragen werden soll. Der Standesbeamte hat das mit der Begründung abgelehnt, aufgrund des am 1.4.1994 in Kraft getretenen Familiennamensrechts sei der für das zweite Kind gewünschte Doppelname nicht eintragungsfähig. Das Amtsgericht hat auf den Antrag der Beteiligten zu 2) und 3) vom 6.9.1994 durch Beschluß vom 8.11.1994 den Standesbeamten angehalten, im Geburtenbuch den Doppelnamen als Familiennamen des Kindes zu vermerken. Der Beteiligte zu 1) hat gegen diesen ihm nicht vor dem 15.11.1994 zugestellten Beschluß am 25.11.1994 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 16.2.1995 das Rechtsmittel zurückgewiesen. Der Beteiligte zu 1) hat gegen diesen Beschluß, der ihm am 13.3.1995 zugestellt worden ist, am 15.3.1995 sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Die Beteiligten zu 2) und 3) haben sich zu der sofortigen weiteren Beschwerde nicht geäußert, obwohl ihnen hierzu vom Senat Gelegenheit gegeben worden ist.
Die sofortige weitere Beschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig (§§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 PStG, §§ 22 Abs. 1, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 2 FGG). Sie ist auch begründet. Beide Vorentscheidungen beruhen auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
Die Frage, ob in Fällen wie dem vorliegenden das Kind den Familiennamen des älteren Geschwisterteils führt, obwohl dies ein Doppelname ist, der nach dem ab 1.4.1994 geltenden Recht für ein Kind nicht mehr bestimmt werden kann, ist umstritten. Die Auffassung, daß das Kind weder durch Bestimmung der Eltern noch als Folge gesetzlicher Bestimmungen den Doppelnamen erhalten kann, den das ältere Kind als Familiennamen führt, wird von der – soweit ersichtlich einhelligen – Rechtsprechung der Obergerichte (OLG Oldenburg NJW 1995, 537 FamRZ 1995, 688 = StAZ 1995, 13 = Rpfleger 1995, 211; OLG Hamm – 1.3.1995 – = NJW 1995, 1908 = MDR 1995, 498 = FamRZ 1995, 1224 = StAZ 1995, 141; OLG Hamm – 14.9.1995 – = MDR 1996, 175; OLG Schleswig StAZ 1995, 267; OLG Stuttgart FGPrax 1995, 233 = FamRZ 1995, 1601 = StAZ 1995, 328; BayObLG FGPrax 1995, 234 = MDR 1995, 1145 Ls = NJW-RR 1996, 135 = StAZ 1995, 368; ebenso LG Göttingen StAZ 1995, 268) und einem Teil des Schrifttums (Palandt/Diederichsen BGB 55. Aufl. Vorbem. vor § 1355 Rn. 10 und § 1616 Rn. 3; Coester StAZ 1995, 154/155; Otto Rpfleger 1995, 522) vertreten. Ein Teil der Rechtsprechung der Instanzgerichte (AG Tübingen StAZ 1995, 76; AG Bonn StAZ 1995, 76; AG Duisburg StAZ 1995, 143) und andere Stimmen im Schrifttum (Wagenitz/Bornhofen FamNamRG Teil B § 1616 BGB Rn. 68; Wagenitz FamRZ 1994, 409/416; Hepting/Gaaz PStG § 31 a Rn. 195–198; Gaaz StAZ 1995, 25/26) stehen auf dem gegenteiligen Standpunkt. Der Senat schließt sich der veröffentlichten obergerichtlichen Rechtsprechung an. Für sie sprechen der Gesetzeswortlaut, die systematische Einordnung in die Gesamtregelung des Kindesnamensrechts, der Gestaltungswille des Gesetzgebers sowie Sinn und Zweck des am 1.4.1994 in Kraft getretenen FamNamRG vom 16.12.1993 (BGBl. I S. 2054).
Da das Kind nach dem Inkrafttreten des FamNamRG geboren wurde, ist die Bestimmung des in das Geburtenbuch einzutragenden Familiennamens nach neuem Recht zu beurteilen. Da die Eltern hier keinen gemeinsamen Familiennamen bestimmt haben, sondern jeweils ihren zur Zeit der Eheschließung geführten Namen weiterführen (§ 1353 Abs. 1 Satz 3 BGB), eröffnet ihnen § 1616 Abs. 2 Satz 1 BGB nur die eingeschränkte Wahlmöglichk...