Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenpflicht des Beklagten trotz unbegründeter Klage
Leitsatz (amtlich)
War der Beklagte dem Kläger ggü. auskunftspflichtig und ergibt sich erst aufgrund von im Verlauf des Verfahrens vom Beklagten erteilten Auskünften, dass der Klageanspruch nicht besteht, so sind, wenn der Kläger darauf hin sofort den Rechtsstreit für erledigt erklärt und der Beklagte sich dieser Erklärung anschließt, nach § 91a Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen. Dies ist nicht der Fall, wenn der Kläger nach Darlegung des Beklagten, wann er die Klageforderung erfüllt habe, und Vorlage von Belegen die Erfüllung weiterhin bestreitet und einen Vollbeweis für die Erfüllung verlangt.
Normenkette
ZPO §§ 91a, 93
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 21.04.2006; Aktenzeichen 2-25 O 150/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Frankfurt vom 21.4.2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 22.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter den Beklagten auf Zahlung der Stammeinlage als Gesellschafter der insolventen GmbH i.H.v. 255.645,95 EUR in Anspruch genommen. Die Parteien haben den Rechtsstreit nach Vorlage von Kontounterlagen durch den Beklagten und Durchführung einer Beweisaufnahme übereinstimmend für erledigt erklärt. Wegen des näheren Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Das LG hat mit Beschluss vom 21.4.2006 gem. § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme von Säumniskosten dem Kläger auferlegt. Es hat dies damit begründet, nunmehr stehe fest, dass der Beklagte die Zahlungen per Scheck erbracht habe und diese Zahlungen auch der Schuldnerin zugeflossen seien. Deshalb sei davon auszugehen, dass der Kläger ohne die Erledigungserklärung in der Hauptsache unterlegen wäre.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Er vertritt die Auffassung, das LG habe außer Acht gelassen, dass der Beklagte Anlasss zur Klageerhebung gegeben habe. Er habe es trotz vorgerichtlicher Aufforderung im Schreiben vom 11.3.2003 unterlassen, Unterlagen vorzulegen. Der Kläger habe keine Möglichkeit gehabt, die Geschäftsunterlagen der Schuldnerin aus den Jahren 1995 und 1996 einzusehen. Der Beklagte sei als Gesellschafter zum Nachweis der Erfüllung der Stammeinlage verpflichtet und sei hier zudem als Steuerberater der Gesellschaft verpflichtet gewesen, die Buchhaltungsunterlagen herauszugeben. Erst aus eigenen Kontoauszügen und Verrechnungsschecks, die sich in seinem Besitz befanden und die im Prozess vorgelegt wurden, sei erkennbar gewesen, dass die Schuldnerin kurz nach ihrer Gründung ein Konto bei der F.-Bank unterhalten habe.
II. Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 91a Abs. 2, 567, 569 ZPO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet, weil das LG in dem angegriffenen Beschluss im Ergebnis zu Recht die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt hat.
Für die Frage, wem nach übereinstimmender Erledigungserklärung die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sind, kommt es allerdings nicht allein darauf an, wie ohne die Erledigungserklärungen nach dem bisherigen Streitstand in der Hauptsache voraussichtlich zu entscheiden gewesen wäre. Im Rahmen des nach § 91a Abs. 1 ZPO auszuübenden billigen Ermessens ist, selbst wenn die Klage keinen Erfolg gehabt hätte, auch zu berücksichtigen, ob der Beklagte Veranlassung zu der Klage gegeben hat.
Hat der Beklagte den Klageanspruch nachträglich erfüllt und haben die Parteien aus diesem Grund den Rechtsstreit für erledigt erklärt, so ist der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu beachten, wonach der Kläger dann nicht die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, wenn der Beklagte Veranlassung zu der Klageerhebung gegeben hat. Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Denn die Klage war nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Abgabe der Erledigungserklärungen unbegründet.
In einem solchen Fall ist jedoch nach der überwiegend in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht eine sog. reziproke Anwendung von § 93 ZPO im Rahmen der Entscheidung nach § 91a ZPO gerechtfertigt. War der Beklagte dem Kläger ggü. auskunftspflichtig und ergibt sich erst aufgrund von im Verlauf des Verfahrens vom Beklagten erteilten Auskünften, dass der Klageanspruch nicht besteht, so sind dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, wenn der Kläger daraufhin sofort den Rechtsstreit für erledigt erklärt (vgl. etwa OLG Karlsruhe v. 28.7.1998 - 3 W 40/98, OLGReport Karlsruhe 1998, 425 = NJW-RR 1998, 1454; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 91a Rz. 25, m.w.N.). Darüber hinaus kann die Tragung der Kosten durch den Beklagten dann gerechtfertigt sein, wenn dem Kläger ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten zusteht, weil der Beklagte aus einem Schuldverhältnis zur Auskunft verpflichtet war, wegen deren Unterlassung aus Verzug Schadensersatz zu leisten ...