Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsanwalt, der namens seines Mandanten, dem die Inanspruchnahme wegen Verfügbarmachung urheberrechtlich geschützter Werke über eine Internet-Tauschbörse droht, "vorbeugende Unterlassungserklärungen" an eine Rechtsanwaltskanzlei versendet, verstößt gegen § 7 Abs. 1 UWG (unzumutbare Belästigung) bzw. § 823 Abs. 1 BGB (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb), wenn diese Erklärungen eine Vielzahl von Rechtsanwaltskanzleien, Rechteinhabern und Werktiteln nennen und die angeschriebene Rechtsanwaltskanzlei hinsichtlich der betroffenen Werke nicht mandatiert ist.
Normenkette
UWG § 8 Abs. 1, § 7 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 28.09.2011; Aktenzeichen 416 HKO 106/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 28.9.2011, Geschäfts-Nr. 416 HKO 106/11, teilweise abgeändert.
Im Wege der einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung - wird dem Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten, der Antragstellerin sog. vorbeugende Unterlassungserklärungen zuzusenden, die sich auf urheberrechtlich geschützte Werke beziehen, hinsichtlich derer eine Mandatierung der Antragstellerin nicht besteht, wenn dies geschieht wie aus den diesem Beschluss beigefügten Anlagen ersichtlich.
Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von den in beiden Instanzen entstandenen Kosten haben die Antragstellerin 1/4 und der Antragsgegner 3/4 zu tragen.
Der erstinstanzliche Streitwert - insoweit die Wertfestsetzung des LG vom 28.9.2011 abändernd - sowie der Wert der Beschwerde werden auf EUR 10.000 festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und im aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, soweit er sich auf die konkrete Verletzungsform bezieht. gem. §§ 8 Abs. 1, 7 Abs. 1 S. 1 UWG, § 823 Abs. 1 BGB (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) zu.
1. Der Antragsteller belästigt die Antragsgegnerin unzumutbar i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 UWG sowie des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gem. § 823 Abs. 1 BGB indem er ihr in beanstandeter Weise vorbeugende Unterlassungsverpflichtungserklärungen zusendet, die sich auf urheberrechtlich geschützte Werke beziehen, hinsichtlich derer sie seitens eines Berechtigten nicht mandatiert ist.
a) Bei der Versendung von Erklärungen der beanstandeten Art im Namen seiner Auftraggeber an anwaltliche Adressaten handelt - wie für einen Anspruch gem. §§ 8 Abs. 1, 7 Abs. 1 UWG erforderlich - der Antragsgegner, selbst Rechtsanwalt, "geschäftlich" i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Geschäftliche Handlung im Sinne dieser Vorschrift ist ein Verhalten im Rahmen der Ausübung eines freien Berufs, das mit der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Ein Verhalten gegenüber Mitbewerbern ("B2B-Verhältnis") weist dann einen objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen auf, wenn es nach den Umständen darauf gerichtet ist, durch Einwirkung auf die wettbewerblichen Interessen der Mitbewerber den eigenen Absatz zu fördern; so verhält es sich insbesondere in den Fällen der gezielten Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 10 UWG (Köhler/Bornkamm, 29. Aufl. 2011, § 2 Rz. 53). Mit einer im Rahmen des anwaltlichen Auftrags gegenüber Dritten vorgenommenen Handlung verfolgt der Rechtsanwalt im Allgemeinen zwar nicht das Ziel, im Verhältnis zum Dritten seinen eigenen Wettbewerb zu fördern. Im vorliegenden Fall liegt der wettbewerbliche Effekt im Verhältnis zum anwaltlichen Adressaten der vorbeugenden Unterwerfung allerdings darin, dass der Antragsgegner, der sich erklärtermaßen in Unkenntnis darüber befindet, wer Rechteinhaber ist und ob ein Mandatsverhältnis eines Rechteinhabers zum angeschriebenen Rechtsanwalt besteht, den Rechercheaufwand auf den anwaltlichen Adressaten verlagert, der zur Beurteilung der rechtlichen Relevanz der urheberrechtlichen Unterwerfung nötig ist. Der anwaltliche Adressat der Unterwerfung sieht sich sodann veranlasst, unter Aufbietung von personellen und sonstigen Ressourcen seinerseits zu klären, ob die Unterwerfung ein mit den namentlich genannten oder auch nur über die genannten Werktitel ermittelbaren Rechteinhabern bestehendes Mandatsverhältnis betrifft. Der Antragsgegner "erspart" sich mithin "auf Kosten" der Antragstellerin die Last der Klärung der tatsächlichen Grundlagen der Unterwerfung, die aber sein Mandant bzw. er selbst als derjenige, der die Erklärung abgeben bzw. übersenden möchte, eigentlich zu tragen hätte. Mit di...