Leitsatz (amtlich)
Zum Fehlen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zwischen einer europäischen Fluggesellschaft und einem Fluggastrechteportal zur Durchsetzung von Ansprüchen nach der FluggastrechteVO (Anschluss an OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.01.2021 - I-20 U 239/20, GRUR-RR 2021, 278, Rn. 14 ff.)
Zur äußerungsrechtlichen Einzelabwägung bei (hilfsweise) auf das allgemeine Zivil- bzw. Deliktsrecht gestützten Unterlassungsanträgen, u.a. bei Äußerungen unter einer Kollektivbezeichnung
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 26/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17.11.2022, Az. 312 O 26/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und die angefochtene Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, soweit die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche auf Vorschriften des Wettbewerbsrechts stützt.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 180.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A) Die Klägerin begehrt die Unterlassung diverser Äußerungen sowie die Erstattung von Abmahnkosten.
Die Klägerin ist die größte europäische Fluggesellschaft, die Beklagte ein Fluggastrechteportal zur Durchsetzung von Ansprüchen nach der Fluggastrechte-Verordnung (FluggastrechteVO (EG) Nr. 261/2004). Die Beklagte lässt sich im Fall ihrer Beauftragung die Ansprüche der Fluggäste zum Zweck der Durchsetzung abtreten. Im Erfolgsfall erhebt sie eine Provision, ggf. zuzüglich eines Anwaltszuschlags.
Die Klägerin greift diverse Äußerungen der Beklagten aus Kunden-E-Mails und von deren Webseiten an. Dabei stützt sie sich primär auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche und hilfsweise auf das allgemeine Zivil- bzw. Deliktsrecht.
Zum einen wendet sich die Klägerin gegen Aussagen in E-Mails, die die Beklagte jedenfalls im November 2019 an Kunden verschickte, von denen sie zuvor mit der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen gegen die Klägerin beauftragt worden war. Darin hieß es (vgl. dazu Anlage K13, wobei die von der Klägerin konkret angegriffenen Passagen nur hier durch Unterstreichungen hervorgehoben sind):
Sehr geehrter Herr [...],
wir fordern nun die Airline zur Zahlung auf.
WICHTIG: *** ignoriert unsere Beauftragung regelmäßig [Antrag zu Ziffer 1.a)] und wendet sich stattdessen direkt an unsere Kunden. Die Airline tritt Verbraucherrechte mit Füßen [Antrag zu Ziffer 1.b)] und versucht strategisch Fluggastrechtportale, die Fluggästen dabei helfen, ihre gerechtfertigte Entschädigung zu erhalten, zu sabotieren [Antrag zu Ziffer 1.c)]. In vielen Fällen sind wir daher gezwungen, gegen *** vor Gericht zu gehen. Nur so können wir sicherstellen, dass wir unseren Service auch in Zukunft anbieten können. Wir möchten Sie daher bitten, jegliche Kontaktversuche der Airline, beispielsweise eine Abfrage Ihrer Bankdaten, zu ignorieren [Antrag zu Ziffer 1.d)]. Wir kümmern uns um Ihren Fall und regeln alles für Sie, bequem und stressfrei.
Den Status Ihres Falles können Sie jederzeit in unserem Portal [...] prüfen. [...]
Zum anderen greift die Klägerin diverse Aussagen an, die die Beklagte auf von ihr betriebenen Webseiten zum öffentlichen Abruf bereithielt. Jedenfalls am 09.09.2019 waren auf der Internetseite www.***.de die nachfolgenden Äußerungen abrufbar (Anlage K14; Unterstreichung der angegriffenen Äußerungen wiederum nur hier):
Pünktlichkeit im Mittelfeld
*** sammelte 2017 einige Verspätung an. Von über 700.000 Flügen hatten rund 99.000 eine Verspätung [Antrag zu Ziffer 3.]. [...]
Zahlungsverhalten schwierig
Zahlungsaufforderungen zum Ausgleich von Verspätungen oder Flugausfällen lehnt die Airline prinzipiell mit Verweis auf außergewöhnliche Umstände ab [Antrag zu Ziffer 2.a)]. Fast alle Ansprüche müssen gerichtlich durchgesetzt werden [Antrag zu Ziffer 2.b)].
Auf der Internetseite www.***.co/uk hieß es jedenfalls am 13.12.2019 (Anlage K15; Unterstreichung nur hier):
Useful advice & information about ***
[...]
Poor Customer Service
You are more than likely to meet a brick wall with the *** customer service in the event of a challenge [Antrag zu Ziffer 4.]. When it concerns delayed flights or flight cancellations, your best bet is to reach out to us, use the free online claim calculator to determine if your rights have been breached and then you can leave the talking to us.
Ebenfalls auf der Internetseite www.***.de war jedenfalls am 06.11.2019 die nachfolgende Grafik abrufbar (Anlage K16):
((Abbildung))
Die Klägerin greift daraus die sich in der linken Spalte ("Auf eigene Faust") befindlichen Äußerungen "Ärgerlich und aussichtslos", "Geringe Erfolgschance", "Hoher Zeitaufwand (mehrere Stunden)" und ...