Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 25.01.1972; Aktenzeichen 10 O 55/71) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 10, vom 25. Januar 1972 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung einer Haftstrafe bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe in vom Gericht festzusetzender Höhe für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, die an der östlichen, dem Grundstück des Klägers zugewandten Seite seines Hauses in Hamburg …. Am … angebrachte Lichtreklame, bestehend aus
- weißer von innen beleuchteter Tafel mit der Aufschrift …
- weißer von innen beleuchteter Tafel mit der Aufschrift …
zu beleuchten bzw. deren Beleuchtung einzuschalten.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien sind Nachbarn. Der Kläger bewohnt mit seiner Familie ein Einzelhaus auf einem Grundstück …. Der Beklagte hat auf seinem, westlich davon gelegenen Grundstück an dem dort stehenden Mehrfamilienhaus an der Seite zum Kläger die im Tenor bezeichneten Lichtreklamen angebracht. Jedes Reklameschild wird von innen beleuchtet, und zwar bei Klagerhebung mit je zwei 40 Watt-Leuchtstoffröhren, nach einem Vergleichsvorschlag des Landgerichts vom 24. September 1971 nur noch mit je zwei 25 Watt-Leuchtstoffröhren. Seit diesem Zeitpunkt schaltet der Beklagte die Beleuchtung abends um 21 Uhr ab.
Der Kläger fühlt sich durch diese Leuchtreklame gestört. Die Reklame ist von der Baupolizei bisher nicht genehmigt worden. Die Parteien streiten darüber, ob eine solche Genehmigung erforderlich ist.
Der Kläger hat die im Tenor ausgesprochene Unterlassung beantragt.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat eine Ortsbesichtigung vorgenommen und durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Eine Beleuchtung mit vier 25 Watt-Leuchtstoffröhren, die abends um 21 Uhr abgeschaltet werden, stelle eine nur unwesentliche Beeinträchtigung des Klägers dar. Zwar würde eine Beleuchtung von vier 50 Watt-Leuchtstoffröhren, die bis spät in die Nacht hinein nicht abgeschaltet würde, den Klageantrag rechtfertigen; angesichts der Verpflichtungserklärung des Beklagten bestünde jedoch insoweit keine Wiederholungsgefahr.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung meint der Kläger, daß die Lichtreklamen des Beklagten auch in der eingeschränkten Form gemäß der Verpflichtungserklärung des Beklagten eine wesentliche Beeinträchtigung des Wohnwertes seines Hauses darstelle.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils gemäß den Anträgen der ersten Instanz zu entscheiden und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Beklagte meint, die Beeinträchtigung des Klägers sei nur unwesentlich. Die Grundsätze lägen in einem Gewerbegebiet.
Ergänzend wird auf die Parteischriftsätze und auf das Protokoll über die richterliche Augenscheinseinnahme des Landgerichts Bezug genommen.
Beide Parteien beantragen, auch das Berufungsgericht möge eine Ortsbesichtigung vornehmen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist begründet.
1) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, der hier geltend gemacht wird, voraussetzt, daß auch zukünftige Beeinträchtigungen zu besorgen sind. Richtig ist auch, daß nach Abgabe der Verpflichtungserklärung des Beklagten im Schriftsatz vom 9. November 1971 zukünftige Beeinträchtigungen nach 21 Uhr und mit höheren Lichtstärken als 4 × 25 Watt-Röhren nicht zu besorgen sind.
2) Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, daß auch ein starker Lichtschein eine Einwirkung im Sinne der §§ 1004, 906 BGB sein kann.
3) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in erster Instanz ist die Straße … in dem hier interessierenden Teil mit Häusern bebaut, die zumindest zur Straße hin Villencharakter haben. In einer solchen Gegend ist es nicht ortsüblich, daß helle Leuchtreklameschilder an den Seitenfronten der Häuser angebracht werden. Auf § 906 Abs. 2 BGB kann sich also der Beklagte nicht stützen.
4) Demnach kommt es gemäß § 906 Abs. 1 BGB darauf an, ob die Beeinträchtigung wesentlich ist. Der Senat ist der Meinung, daß die Beeinträchtigung des Klägers auch dann als wesentlich anzusehen ist, wenn die Leuchtkästen nur mit 4 × 25 Watt-Röhren bestückt werden und nur bis 21 Uhr angeschaltet werden.
5) Für die Beantwortung der Frage, ob eine Beeinträchtigung wesentlich oder unwesentlich ist, ist ein sog. „qualifiziert-objektiver Maßstab” anzulegen. Das bedeutet: Es ist nicht das subjektive Empfinden des Gestörten, sondern das eines Durchschnittsmenschen anzulegen; dabei ist jedoch Natur und Zweck des betroffenen Grundstücks von entscheidender Bedeutung (Palandt-Degenhart, § 906 Anm. 3 a; BGH LM § 906 BGB Nr. 6; Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, § 16 IV 1, S. 329).
Auf dem betroffenen Grundstück befindet sich nach dem Ergebnis ...