Entscheidungsstichwort (Thema)
Einziehung des erteilten gemeinschaftlichen Erbscheins
Verfahrensgang
LG Detmold (Beschluss vom 09.06.1988; Aktenzeichen 2 T 385/87) |
AG Lemgo (Aktenzeichen 11 VI 94/87) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 4) hat den Beteiligten zu 1) bis 3) die außergerichtlichen Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Der Wert des Gegenstandes der weiteren Beschwerde wird auf 35.000,– DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die am … 1907 in … geborene Frau … geb. … war in kinderloser Ehe mit dem am … 1971 vorverstorbenen Lehrer a.D. … verheiratet. Bei den Beteiligten zu 1) bis 3) handelt es sich um Cousinen der Erblasserin, die als gesetzliche Erbinnen in Betracht kommen. Die Erblasserin ist am … 1987 in … verstorben.
Die Erblasserin verfaßte am … 1983 und am … 1984 zwei handschriftliche Testamente, in denen sie die Beteiligte zu 4) zu ihrer alleinigen Erbin einsetzte. Am … 1984 ordnete das Amtsgericht Lemgo für die Erblasserin gemäß § 1910 BGB ein Gebrechlichkeitspflegschaft mit dem Wirkungskreis der Vermögenssorge an (8 VIII 1970). Am … 1985 wurde die Erblasserin wegen Geistesschwäche entmündigt, weil sie wegen geistigen Abbaus nicht mehr in der Lage sei, ihre Angelegenheiten zu überblicken und zu regeln (20 C 173/85 AG Lemgo). Vormund wurde Frau Rechtsanwältin …, die frühere Pflegerin.
Am … 1986, etwa 11 Monate vor ihrem Tode, errichtete die Erblasserin das folgende handschriftliche Testament:
„Mein Testament!
Hiermit widerrufe ich sämtliche bisher von mir errichteten Testamente.
…, den … 1986 …”
Mit Erbscheinsverhandlung vom … 1987 (Urk.-R.-Nr. … des Notars … in … hat die Beteiligte zu 1) beim Nachlaßgericht Lemgo die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins dahin beantragt, daß gesetzliche Erben der Erblasserin die Beteiligten zu 1) bis 3) zu je 1/3 Anteil geworden seien. Dieser Erbschein ist vom Amtsgericht am 10. August 1987 antragsgemäß erteilt worden.
Gegen die Erteilung des Erbscheins hat die Beteiligte zu 4) mit dem Ziele seiner Einziehung Beschwerde vom … 1987 eingelegt. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die Erblasserin zur Zeit der Errichtung des Widerrufstestaments vom … 1986 testierunfähig gewesen sei.
Das Landgericht hat in einem Termin vom … 1988 die Zeugen bzw. sachverständigen Zeugen …, und … vernommen und ein mündliches Gutachten des Sachverständigen … erstatten lassen. Dieser Sachverständige hat aus eigenem Antrieb noch ein ergänzendes schriftliches nervenärztliches Gutachten vom … 1988 nachgereicht. In einem weiteren Kammertermin vom … 1988 ist die Zeugin … vernommen und ein weiteres mündliches Gutachten des … entgegengenommen worden.
Das Landgericht hat sodann durch Beschluß vom 9. Juni 1988 die Beschwerde der Beteiligten zu 4) zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4) vom 27. Juni 1988.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4) ist statthaft, in rechter Form eingelegt und auch sonst zulässig (§§ 27, 29 FGG). Die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin folgt schon daraus, daß ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist (Keidel/Kuntze/Winkler – KKW –, FG, 12. Aufl., Rz. 10 zu § 27 FGG).
Das Rechtsmittel ist aber unbegründet, weil die angefochtene Beschwerdeentscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 FGG).
1.
Die Beschwerdekammer ist zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 4) ausgegangen.
Hat das Nachlaßgericht – wie hier – einen Erbschein bereits erteilt, dann können mit Rücksicht auf den öffentlichen Glauben dieses Zeugnisses seine Wirkungen nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft (ex nunc) beseitigt werden. Eine die Richtigkeit dieses Zeugnisses bezweifelnde Person hat dann die Wahl, entweder beim Nachlaßgericht die Einziehung gemäß § 2361 BGB anzuregen, oder, wenn ihr ein Beschwerderecht (§ 20 Abs. 1 BGB) zusteht, unmittelbar Beschwerde mit dem Ziel einzulegen, daß das Beschwerdegericht das Nachlaßgericht zur Einziehung des Erbscheins anweise (Jansen, FGG, 2. Aufl., Rz. 18 zu § 84 FGG). Hier hat die Beteiligte zu 4) den Rechtsmittelweg gewählt. Die Erstbeschwerdebefugnis stand ihr zu, da das von ihr beanspruchte testamentarische Alleinerbrecht im Erbschein nicht ausgewiesen ist.
2.
In der Sache unterliegt die angefochtene Beschwerdeentscheidung, die die Einziehung des am … 1987 erteilten Erbscheins ablehnt, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a)
Die in § 2361 Abs. 1 BGB vorgesehene Einziehung eines Erbscheins kommt nur dann in Betracht, wenn das bescheinigte Erbrecht nicht mehr feststeht und die nach § 2359 BGB erforderliche Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit des erteilten Erbscheins über einen bloßen Zweifel hinaus erschüttert ist (Palandt/Edenhofer, BGB, 47. Aufl., Anm. 3 zu § 2361 BGB). Bloße Zweifel an der Richtigkeit rechtfertigen also für sich allein noch nicht die Einziehung, eine solche Entscheidung kann vielmehr erst nach abschließender Aufklärung des Sachverhalts ergehen. Gestützt auf eine di...