Leitsatz (amtlich)
Bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG muss den tatrichterlichen Feststellungen die Menge des im Blut des Betroffenen nachgewiesenen Rauschmittels zu entnehmen sein.
Verfahrensgang
AG Essen (Entscheidung vom 23.01.2008) |
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 23. Januar 2008 wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen.
Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 6. Mai 2008 zu dem Rechtsmittel des Betroffenen Folgendes ausgeführt:
I.
Das Amtsgericht Essen hat den Betroffenen durch Urteil vom 23.01.2008 wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung von berauschenden Mitteln, nämlich Cannabis, zu einer Geldbuße von 500,00 EUR verurteilt und ein Fahrverbot von drei Monaten angeordnet (Bl. 61 ff d.A.). Gegen dieses in Anwesenheit des Betroffenen verkündete und seinem Verteidiger am 27.02.2008 zugestellte (Bl. 67 d.A.) Urteil richtet sich die am 28.01.2008 bei dem Amtsgericht Essen eingegangene Rechtsbeschwerde vom selben Tage (Bl. 54 f d.A.), die mit Schriftsatz des Verteidigers vom 27.03.2008, der am selben Tage bei dem Amtsgericht Essen eingegangen ist, begründet worden ist (Bl. 72 f d.A.).
II.
Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte, rechtzeitig eingelegte und form- und fristgerecht begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch wegen eines Verstoßes gegen § 24 a Abs. 2 StVG nicht. Dieser Vorschrift zufolge handelt ordnungswidrig, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden Mittels führt. Eine solche Wirkung liegt gem. § 24 a Abs. 2 S. 2 StVG vor, wenn eine dieser in der Anlage aufgeführten Substanzen im Blut nachgewiesen wird. Dies ist für Cannabis das Abbauprodukt Tetrahydrocannabinol (THC). Ein Grenzwert für die Rauschmittelkonzentration im Blut ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die dahingehenden Feststellungen in dem angefochtenen Urteil, der Betroffene habe unter der Wirkung von THC, das in seinem Blut nachgewiesen worden sei, ein Kraftfahrzeug geführt, reichen dennoch nicht aus. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2004 (zu vgl. NJW 2005, 349 ff) zufolge ist § 24 a Abs. 2 S. 2 StVG dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass eine Wirkstoffkonzentration festgestellt sein muss, die es entsprechend dem Charakter der Vorschrift als eines abstrakten Gefährdungsdeliktes als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Da sich aufgrund der fortgeschrittenen Untersuchungsmethoden die Nachweisdauer erhöht hat, können Nachweisdauer und Wirkungsdauer nicht mehr - wie bei Einführung dieses Tatbestandes im Jahre 1998 vom Gesetzgeber zugrunde gelegt - gleichgesetzt werden. Als Anhaltspunkt für den zu berücksichtigenden Grenzwert der jeweiligen Substanz können nach der Rechtsprechung die Empfehlungen der sog. Grenzwertkommission dienen. Dies ist bei Tetrahydorcannabinol (THC) 1 mg/ml.
Entsprechende Feststellungen zu der Menge des im Blut des Betroffenen nachgewiesenen THC lassen sich den Feststellungen des angefochtenen Urteils indes nicht entnehmen, so dass nicht nachvollzogen werden kann, ob die Fahrtüchtigkeit des Betroffenen durch die nachgewiesene Menge an THC zum Vorfallszeitpunkt beeinträchtigt war.
Weiterhin muss sich aus den Feststellungen eines Urteils wegen eines Verstoßes gegen § 24 a Abs. 2 StVG ergeben, dass der Betroffene zumindest fahrlässig gehandelt hat. Für die Annahme von Fahrlässigkeit reicht weder allein die objektive Feststellung einer über dem Grenzwert der jeweiligen Substanz im Blut liegende Wirkstoffkonzentration, noch der vom Betroffenen eingeräumte Konsum einige Zeit vor der Fahrt, um ohne Weiteres den Schluss zuzulassen, der Betroffene habe die mögliche Rauschwirkung erkennen können und müssen. Vielmehr ist die Vorstellung des Täters unter Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel vom Tatgericht festzustellen. Auch dazu lässt das angefochtene Urteil Ausführungen vermissen.
Die aufgezeigten Rechtsfehler nötigen zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Essen."
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass der empfohlene analytische Grenzwert 1 ng/ml (statt 1 mg/ml) Tetrahydrocannabinol beträgt. Insoweit scheint ein offenbares Schreibversehen vorzuliegen.
Mit dieser Richtigstellung macht der Senat die Ausführungen zum Gegenstand seiner Entscheidung. Das Urteil unterliegt daher in vollem Umfang der Aufhebung.
Fundstellen
Haufe-Index 2576430 |
VRR 2008, 351 |
BA 2008, 391 |