Leitsatz (amtlich)
1. Der Käufer eines Audi A5 Sportback 3.0 TDI mit dem Motor EA896Gen2 (Schadstoffklasse Euro 5) genügt seiner Vortragslast für eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung des Fahrzeugherstellers nicht, wenn er diese ohne jeden konkreten Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug und Motor aus dem Verhalten des Herstellers und teils anderer Hersteller bezüglich anderer Fahrzeuge und Motoren herleitet (in einzelfallbezogener Abgrenzung zu BGH Beschl. v. 26.11.2021 - III ZR 202/20, BeckRS 2021, 41003).
2. Zur vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung - hier verneint - aufgrund einer Manipulation des OBD-Systems.
Normenkette
BGB § 826
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 15 O 52/121) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Zurecht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Die Einwendungen des Klägers, bezüglich derer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Berufungsbegründung (Bl. 34 ff. der zweitinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte, im Folgenden: eGA II-34 ff.) verwiesen wird, greifen nicht durch.
1. Es besteht insbesondere kein Anspruch aus § 826 BGB.
a) Es fehlt bereits an einer vom Kläger darzulegenden und zu beweisenden objektiv sittenwidrigen Handlung der Beklagten oder ihr zurechenbarer Personen.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (statt aller BGH Beschl. v. 29.9.2021 - VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 10 m.w.N.).
aa) Der vorliegend - nach den von der Berufung nicht in Zweifel gezogenen und auch sonst nicht in Zweifel zu ziehenden Feststellungen des Landgerichts (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) - in den streitgegenständlichen F Modell01 3.0 TDI eingebaute Motor EA896Gen2 (Schadstoffklasse Euro 5) verfügt unstreitig nicht über eine Prüfstanderkennung im Sinne einer bspw. für den Motor EA189 vorgehaltenen Umschaltlogik.
bb) Soweit der Kläger behauptet, der streitgegenständliche Motor EA896Gen2 im streitgegenständlichen Fahrzeug sei mit einer (prüfstandsbezogenen) Aufheizstrategie ausgestattet, handelt es sich weiterhin - worauf schon das Landgericht im Ergebnis abgestellt hat - um eine Behauptung ins Blaue hinein.
(1) Es ist einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (statt aller BGH Beschl. v. 28.1.2020 - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 8 m.w.N.).
Keine notwendige Voraussetzung für die Behauptung ist es (deshalb), dass das betroffene Fahrzeug von einer verpflichtenden Rückrufaktion betroffen ist (vgl. BGH Beschl. v. 28.1.2020 - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 13).
(2) Hier stellt der Kläger eine Behauptung ins Blaue hinein auf.
Der Kläger will die Implementierung einer unzulässigen Aufheizstrategie wohl u. a. aus einem Pressebericht zu einem Daimler - hier ist jedoch eine F streitgegenständlich - sowie daraus herleiten, dass andere Fahrzeuge der Marke F mit einem 3,0-Liter-Motor ...