Verfahrensgang
AG Essen (Entscheidung vom 20.12.2006; Aktenzeichen 101 F 256/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 28.12.2006 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen vom 20.12.2006 aufgehoben.
Das Familiengericht wird angewiesen, über die Abhilfe (§ 572 Abs. 1 ZPO) der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin vom 14.11.2006 zu entscheiden.
Gründe
I.
Das Familiengericht hat in einem noch anhängigen Scheidungsverfahren die Prozesskostenhilfebewilligung gem. § 124 Nr. 4 ZPO wegen der Nichtzahlung von angeordneten Raten widerrufen.
Den Beschluss hat es an die Antragstellerin persönlich zustellen lassen und ihrem bevollmächtigten Rechtsanwalt, der für die Antragstellerin den Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat, "zur Kenntnisnahme" übersandt.
Die Zustellung an die Antragstellerin persönlich ist nach der Postzustellungsurkunde am 15.8.2006 erfolgt.
Die Antragstellerin hat über ihre neuen Bevollmächtigen mit beim Familiengericht am 16.11.2006 eingegangenem Schriftsatz vom 14.11.2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und sofortige Beschwerde gegen den Aufhebungsbeschluss eingelegt.
Die Rechtspflegerin des Familiengerichts hat durch Beschluss vom 20.12.2006 den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 238 Abs. 2, 127 Abs. 2 ZPO) ist begründet.
Das Familiengericht hat zu Unrecht über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden.
Es wird zunächst sachlich-inhaltlich über die Abhilfe der sofortigen Beschwerde vom 14.11.2006 zu entscheiden haben; sollte es dem Rechtsmittel nicht abhelfen, ist die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorzulegen.
1.
Der angegriffene Beschluss des Familiengerichts ist bereits deshalb aufzuheben, weil gem. § 237 ZPO nicht das Ausgangsgericht, sondern das Beschwerdegericht über den Wiedereinsetzungsantrag zu befinden hat (vgl. hierzu z.B.: Musielak-Grandel, ZPO, 5. Auflage, Rnr. 1 zu § 237 ZPO).
2.
Eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist entbehrlich, weil die Antragsgegnerin entgegen der Auffassung des Familiengerichts rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt hat.
Die Zustellung an die Antragstellerin persönlich hat die Rechtsmittelfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO nicht in Gang gesetzt, weil eine förmliche Zustellung an den (damaligen) Prozessbevollmächtigten hätte erfolgen müssen.
a)
Die Zustellung des Aufhebungsbeschlusses gem. § 124 Nr. 4 ZPO hatte gem. § 172 Abs. 1 S. 1 ZPO an den Bevollmächtigten der Antragstellerin und nicht an die Antragstellerin persönlich zu erfolgen.
Jedenfalls dann, wenn der Rechtsanwalt - auch - im Prozesskostenhilfeverfahren auftritt, sind die Prozesskostenhilfeentscheidungen in einem noch anhängigen Hauptsacheverfahren gem. § 172 Abs. 1 S. 1 ZPO dem Prozessbevollmächtigten zuzustellen; der Senat schließt sich darüber hinaus weitergehend der Auffassung des BAG an (Beschluss vom 19.7.2006 - 3 AZB 18/06 - NZA 2006, 1128; vgl. auch LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.8.2006 - 10 Ta 116/06 -), wonach gem. § 172 Abs. 1 S. 2 ZPO die Zustellung an den Prozessbevollmächtigen selbst dann zu erfolgen hat, wenn das Hauptsacheverfahren abgeschlossen ist, weil es sich bei Entscheidungen im Prozesskostenhilfenachprüfungsverfahren um eine Wiederaufnahme des Verfahrens i.S. § 172 Abs. 1 S. 2 ZPO handelt (a.A. OLG Naumburg, Beschluss vom 9.2.2006 - 14 WF 134/05 - OLGR 2006, 732).
b)
Die von der Rechtspflegerin verfügte formlose Übersendung des Beschlusses an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin hat nicht den Beginn der Rechtsmittelfrist ausgelöst.
Gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2 u. 3, 329 Abs. 2 S. 3, 569 Abs. 1 S. 2 ZPO setzt nur die förmliche Zustellung des Beschlusses die Rechtsmittelfrist in Gang.
Unabhängig davon, dass nicht feststeht, ob und ggf. wann der damalige Bevollmächtigte der Antragstellerin eine Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses erhalten hat, steht einer etwaigen Heilung des Zustellungsmangels (§ 189 ZPO) entgegen, dass ausweislich der anlassgebenden Verfügung die Rechtspflegerin nur die formlose Übersendung der gerichtlichen Entscheidung veranlasst hat, eine Heilung aber nur dann in Betracht kommt, wenn nach dem Willen des zuständigen Richters oder Rechtspflegers eine förmliche Zustellung gewollt war (vgl. hierzu etwa Musielak-Wolst, Rnr. 2 zu § 189 ZPO).
3.
Es ist angemessen, dass das Familiengericht zunächst die erforderliche (§ 572 Abs. 1 S. 1 ZPO) Abhilfeprüfung nachholt. Sollte der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen werden, wobei zu beachten ist, dass die Antragstellerin mittlerweile mit Schriftsatz vom 9.1.2007 einen erneuten Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat (vgl. zu dieser Konstellation: BGH, Beschluss vom 12.7.2005 - VI ZB 72/03 - FamRZ 2005, 2063), ist die Sache dem Senat zur Entscheidung vorzulegen.
4.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2577487 |
www.judicialis.de 2007 |