Entscheidungsstichwort (Thema)
Testierunfähigkeit nach schwedischem Recht
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn ein Erblasser bei seinem Tod allein die schwedische Staatsangehörigkeit besaß, ist das schwedische Erbstatut maßgeblich. Das schwedische internationale Erbrecht bestimmt in Kap. 1 § 1 Abs. 1 IDL, dass für die Beerbung eines schwedischen Staatsangehörigen das schwedische Recht (allein) maßgebend ist, auch wenn der Erblasser keinen Wohnsitz im schwedischen Inland hatte, Rück- oder Weiterverweisungen kennt das schwedische Recht nicht.
2. Hinsichtlich des in Deutschland belegenen unbeweglichen Vermögens kann aufgrund einer wirksam getroffenen Rechtswahl deutsches Erbrecht anwendbar sein. Insoweit kann eine Nachlassspaltung eintreten.
Normenkette
BGBEG Art. 25-26
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 04.07.2013; Aktenzeichen 3 O 342/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4.7.2013 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Paderborn aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien sind Geschwister; sie streiten über die Erbrechtsnachfolge nach der am ... geborenen und am ... verstorbenen Erblasserin O.
Die Erblasserin war schwedische Staatsangehörige; sie verstarb verwitwet und kinderlos mit letztem Wohnsitz in V bei I. Dort hatte sie Jahre vor ihrem Tod noch zusammen mit ihrem Ehemann ein Wohnhaus erworben. In ihren Nachlass fällt weiterer bebauter Grundbesitz - gelegen in C, Q-Weg; in diesem Haus wohnt seit langen Jahren der Beklagte mit seiner Familie. Die Parteien und ihr am Rechtsstreit nicht beteiligter Bruder K H sind Nichte bzw. Neffen der Erblasserin.
Diese errichtete 3 Testamente, die nach ihrem Tod eröffnet wurden.
In einem ersten Testament vom 3.8.2005 (UR-Nr. 1156/2005, Notariat I) bestimmte sie ihren Ehemann O zu ihrem unbeschränkten Alleinerben und ordnete Ersatzerbschaft der Parteien und ihres Bruders H zu unterschiedlichen Bruchteilen an. Bereits in diesem ersten Testament verfügte sie, dass für die Rechtsnachfolge von Todes wegen - soweit dies irgend möglich sei - das Recht der Bundesrepublik Deutschland Anwendung finden solle.
Ein weiteres Testament errichtete die Erblasserin nach dem Tode ihres Ehemannes im August 2005 unter dem 5.5.2006 zur UR-Nr. 315/2006 des Notariats T-X II; auch darin wählte sie für ihr im Inland gelegenes unbewegliches Vermögen die Geltung des deutschen Rechtes. Unter Widerruf ihrer sämtlichen bisherigen errichteten Verfügungen von Todes wegen bestimmte sie in diesem Testament den Beklagten mit 4/10-Anteil, die Klägerin sowie den weiteren Bruder K mit je 3/10-Anteil zu ihren Miterben. Im Wege des Vorausvermächtnisses wandte sie ferner dem Beklagten ihren Grundbesitz in C zu. Zudem erklärte die Erblasserin in diesem Testament die Zuwendung von Geldvermächtnissen an verschiedene Großneffen und -nichten sowie an ihren Bruder F H i.H.v. je 20.000,- Euro. Zur Errichtung dieses Testamentes hatte der befasste Notar zwei Zeugen hinzugezogen, die das notariell errichtete Testament mit unterzeichneten.
Das zeitlich letzte Testament der Erblasserin beurkundete der Notar C1 mit Amtssitz in C unter dem 21.4.2010 am Wohnsitz der Erblasserin in V bei I. Zu diesem Zeitpunkt war die Erblasserin fast 90 Jahre alt. In diesem Testament heißt es u.a.:
"Ich bin schwedische Staatsangehörige und wählte für mein im Inland gelegenes unbewegliches Vermögen die Geltung des deutschen Rechts (Art. 26 Abs. 2 EGBGB).
Ich setze meinen Neffen X H. zu meinem alleinigen Erben ein.
Für den Fall, dass mein Neffe X H vor mir versterben sollte, setze ich ersatzweise meine Großnichte B. als dessen Ersatzerbin ein ..."
Dieses notarielle Testament enthält einen Unterschriftszug der Erblasserin, der von denjenigen unter den vorangegangenen Testamenten deutlich abweicht. Dass die Unterschrift auch insoweit von der Erblasserin geleistet wurde, ist - im Berufungsrechtszug - unstreitig gestellt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der errichteten Testamente wird auf deren Ablichtungen in dem "Anlagenband Kläger" zur Akte Bezug genommen.
Nach dem Tode der Erblasserin machte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 12.7.2012 die Unwirksamkeit des letzten Testamentes wegen behaupteter Testierunfähigkeit der Erblasserin geltend.
Sie hat im ersten Rechtszug vor dem LG Paderborn die Feststellung ihrer Miterbenstellung begehrt und dazu behauptet, die Erblasserin habe bereits geraume Zeit vor der Errichtung des Testamentes vom 21.4.2010 an einer Demenzerkrankung gelitten, derzufolge ihr Denkvermögen stark eingeschränkt gewesen sei, so dass sie keinen freien Willensentschluss zur Testierung habe fassen können.
Die Klägerin hat insoweit verschiedene Begebenheiten und Wahrnehmungen von Personen aus den letzten Lebensjahren und im zeitlichen Umfeld der Testamentserrichtung vorgetragen und unter Zeugenbeweis gestellt. ...