Entscheidungsstichwort (Thema)

Unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch des Käufers eines vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs gegen die Bundesrepublik Deutschland; Zulässigkeit einer Feststellungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine auf die Feststellung der Ersatzpflicht für reine Vermögensschäden gerichtete Klage ist unzulässig, wenn der Kläger die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts nicht substantiiert darzulegen vermag sondern schlicht behauptet, es bestehe allgemein die Gefahr eines Schadenseintritts und ohne Darlegung von Anhaltspunkten behauptet, es drohe trotz der Untätigkeit der Behörden über einen längeren Zeitraum die Geltendmachung von Steuernachforderungen.

2. Eine Feststellungsklage ist nicht schon deshalb zulässig, weil sich die Klage gegen die öffentliche Hand richtet, wenn angesichts des umfassenden Streits darüber, ob überhaupt ein Schaden eingetreten ist und in welcher Höhe, selbst bei Bejahung einer Ersatzpflicht dem Grunde nach nicht damit zu rechnen ist, dass hierdurch die Streitigkeit endgültig beigelegt wird.

3. Auch bei einer Feststellungsklage muss der Klageantrag im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt sein, weshalb im Antrag das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll, so genau zu bezeichnen ist, dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft der begehrten Feststellung keinerlei Ungewissheit herrschen kann. Daran fehlt es, wenn der Antrag darauf gerichtet ist, die Beklagte solle für Schäden "aus der Manipulation" des streitgegenständlichen Fahrzeugs einstehen, denn dies beschreibt das eine Haftung der Beklagten begründende Ereignis nicht hinreichend, insbesondere weil die "Manipulation" nicht von der Beklagten vorgenommen wurde.

4. Soweit einzelne Bestimmungen der RL 2007/46/EG neben dem Schutz von Allgemeininteressen mittelbar auch einen Schutz der Gesundheit der Verbraucher bewirken können, folgt daraus nicht, dass diese Regelungen auch den Schutz der allgemeinen Vermögensinteressen und des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts eines Fahrzeugkäufers gewährleisten sollen.

5. Ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch setzt voraus, dass die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden soll, dem Einzelnen Rechte verleiht, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist, mithin bei der Umsetzung der Richtlinie die Grenzen des Ermessens offenkundig und erheblich überschritten wurden, und zwischen diesem Verstoß und dem geltend gemachten Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht, was vom Anspruchsteller substantiiert darzulegen ist.

 

Normenkette

Richtlinie 2007/46/EG Art. 8, 12, 46; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Aktenzeichen 10 O 313/19)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 23.11.2020 - Az. 10 O 313/19 - durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

 

Gründe

Die Berufung des Klägers hat - offensichtlich - keine Aussicht auf Erfolg. Eine Entscheidung des Senats nach mündlicher Verhandlung ist auch nicht aus Gründen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder aus sonstigen Gründen geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Berufung zeigt weder auf, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO), noch, dass vom Senat zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 513 Abs. 1, 529 ZPO).

Zu Recht hat das Landgericht die auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten aus Staatshaftung im Zusammenhang mit dem sogenannten Diesel-Abgasskandal gerichtete Klage sowohl bezogen auf den Hauptantrag als auch auf die Hilfsanträge abgewiesen. Die gegen das Urteil des Landgerichts von dem Kläger mit seiner Berufung vorgebrachten Bedenken rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Der Senat tritt den Ausführungen des Landgerichts zum Fehlen einer die Haftung der Beklagten begründenden individualrechtsschützenden Norm des Unionsrechts bei und nimmt vorab zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug. Die Berufungsbegründung gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

1. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Klage bereits mangels Vorliegens des gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresses unzulässig ist. Der Hilfsantrag Ziffer 2 ist darüber hinaus nicht hinreichend bestimmt.

a) Soweit der Kläger sein Feststellungsinteresse mit dem ihm entstandenen Schaden aufgrund eines merkantilen Minderwerts des streitgegenständlichen Fahrzeugs begründet, scheitert die Zulässigkeit der Feststellungsklage am Vorrang der Leistungsklage (vgl. hierzu BGH, Versäumnisurteil vom 21.02.2017 - XI ZR 467/15 -, Rn. 14, juris m.w.N.). Der Kläger selbst hat in erster Instanz vorgetragen, dass sich der merkantile Minderwert des Fahrzeugs beziffern lässt (Bl. I/58) und beziffert diesen auch in der Berufungsinstanz (Bl. II/20).

b) Ein Feststellungs...

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