Leitsatz (amtlich)

Wird im Erbscheinsverfahren Testierunfähigkeit eingewandt, erfordert es § 26 FamFG, naheliegenden Ermittlungsansätzen nachzugehen; dazu kann es etwa gehören, den das Testament beurkundenden Notar zu befragen und und zur Verfügung stehende medizinische Unterlagen beizuziehen.

 

Verfahrensgang

Notariat Schwetzingen (Beschluss vom 10.07.2014; Aktenzeichen II NG 248/12)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Erbscheinsverfahren darum, ob der Erblasser aufgrund eines notariellen Testaments von seiner Witwe beerbt worden ist oder wegen Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist.

Der Erblasser war ein 1942 geborener türkischer Staatsangehöriger; er ist am 4.8.2012 in Karlsruhe verstorben und hat die Beteiligte zu 1 - seine Witwe - sowie fünf volljährige Kinder, die Beteiligten zu 2 bis 6, hinterlassen. Als letztwillige Verfügungen liegen ein maschinenschriftliches Testament vom 24.5.2012 und ein notarielles, unter Hinzuziehung eines Dolmetschers errichtetes Testament vom 16.7.2012 vor. Das notariell errichtete Testament enthält eine Wahl des deutschen Rechts und eine Einsetzung der Witwe als Alleinerbin.

Der Beteiligte zu 6 hat mit am 12.2.2013 eingegangenen Schriftsatz einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge des türkischen Rechts beantragt und dabei geltend gemacht, dass der Erblasser bei Errichtung des notariellen Testaments testierunfähig gewesen sei. Er hat angegeben, der Erblasser habe sowohl im Inland als auch in der Türkei bewegliches und unbewegliches Vermögen hinterlassen.

Das Nachlassgericht hat Gutachten zur Echtheit der Unterschrift des Erblassers unter dem maschinenschriftlichen Testament vom 24.5.2012 (Gutachten Sachverständige C. vom 27.6.2014) und zur Testierfähigkeit bei der notariellen letztwilligen Verfügung eingeholt (Gutachten Sachverständiger G. vom 7.4.2014); Zeugen und Beteiligte zur Frage der Testierfähigkeit wurden nicht angehört. Auf dieser Grundlage hat das Nachlassgericht durch Beschluss vom 10.7.2014 die Erteilung eines Erbscheins nach der gesetzlichen Erbfolge angekündigt; es ist auf der Grundlage des psychiatrischen Gutachtens von Testierunfähigkeit des Erblassers bei Errichtung des notariellen Testaments ausgegangen. Das Nachlassgericht hat die Auffassung vertreten, eine Befragung des bei der Testamentserrichtung tätigen Urkundsnotars sei nicht erforderlich, da davon auszugehen sei, dass dieser die Geschäfts- und Testierfähigkeit bestätigen werde, dies aber im Gegensatz zu den überzeugenden Ausführungen des Gutachters stünde.

Gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts, die ihr am 14.7.2014 zugestellt worden ist, richtet sich die am 14.8.2014 eingegangene Beschwerde der Beteiligten zu 1. Sie verfolgt unter Anführung weiterer Beweismittel - darunter des Urkundsnotars und des hinzugezogenen Dolmetschers als Zeugen sowie eines nervenärztlichen Gutachtens von dem Facharzt M. vom 9.4.2015 - ihre Auffassung weiter, dass der Erblasser zur Errichtung einer wirksamen letztwilligen Verfügung imstande gewesen sei. Mit der Beschwerdeschrift ist der Antrag verbunden, einen Erbschein auf der Grundlage des öffentlichen Testaments vom 16.7.2012 zu erteilen.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Antragsteller verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er bezweifelt unter Hinweis auf ein für die Beteiligte zu 1 eingeleitetes Betreuungsverfahren, dass deren Verfahrensbevollmächtigte wirksam beauftragt worden ist. Der Beteiligte zu 5 ist der Beschwerde ebenfalls entgegen getreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Urkunden und die schriftlichen Gutachten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 352, 58 FamFG zulässige Beschwerde hat vorläufig Erfolg und führt zu einer Zurückverweisung an das Nachlassgericht. Das erstinstanzliche Verfahren leidet unter einem wesentlichen Mangel; die Sache war daher auf Antrag der Beschwerdeführerin an das Nachlassgericht zurückzuweisen, weil vor einer Sachentscheidung noch eine umfangreiche Beweiserhebung erforderlich ist (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG).

A. Die Beschwerde ist wirksam eingelegt worden.

1. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin bei Einlegung ihres Rechtsmittels nicht verfahrensfähig war, haben sich - auch aus dem beigezogenen Vermerk über deren Anhörung durch AG Schwetzingen am 7.1.2015 - nicht ergeben; sie sind auch von den Beteiligten auf die Verfügung des Berichterstatters vom 17.2.2015 nicht aufgezeigt worden. Ein Betreuer ist für die Beschwerdeführerin, wie sich aus dem Beschluss des AG Schwetzingen vom 15.1.2015 ergibt, nicht bestellt worden.

2. Soweit bezweifelt worden ist, dass die von ihrer Verfahrensbevollmächtigten vorgelegte Vollmacht die Unterschrift der Beschwerdeführerin trägt, kommt es hierauf im Ergebnis nicht an, weil Verfahrenshandlungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jedenfalls gem. § 11 Abs. 5 FamFG i.V.m. § 89 Abs. 2 ZPO genehmig...

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