Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem selbständigen Einzelhändler, der einem genossenschaftlich organisierten Einkaufsverbund angeschlossen ist, handelt es sich um einen "Beauftragten" der Tochtergesellschaft einer Dachgesellschaft des Verbundes im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 UKlaG bzw. § 8 Abs. 2 UWG, wenn er mit dieser in vielfältiger Weise vertraglich verbunden ist, sie unmittelbar von dem wirtschaftlichen Erfolg des selbständigen Einzelhändlers profitiert und diese umfangreiche Einflussmöglichkeiten auf das operative Geschäft des Einzelhändlers hat.
2. Bei Orangensaft, der von einem Verbraucher selbst in von einem Einzelhändler bereit gestellte Flaschen abgefüllt wird, handelt es sich um "lose Ware" im Sinne des § 2 Nr. 5 PAngV, die nach §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 - 3 i.V.m. § 1 Abs. 3 PAngV mit der Angabe des Grundpreises zu versehen ist. Wird hiergegen in einer Werbeanzeige verstoßen, kann einem Verbraucherverband gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 19 UKlaG ein Unterlassungsanspruch zustehen.
3. Fehlt die nach §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 - 3 i.V.m. § 1 Abs. 3 PAngV gesetzlich vorgeschriebene Grundpreisangabe für selbst abgefüllten Orangensaft in einer Werbeanzeige, liegt hierin (auch) eine nach §§ 5a Abs. 1 Satz 1, 5b Abs. 4 UWG unlautere und nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung.
Normenkette
PAngV § 1 Abs. 3, § 4 Abs. 2, § 5; UKlaG § 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 19; UWG §§ 3, 5a Abs. 1 S. 1, § 5b Abs. 4, § 8 Abs. 2
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an einem der Vorstandsmitglieder der Komplementärin, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern für Orangensaft zum Selbstabfüllen ohne Angabe des Grundpreises zu werben bzw. werben zu lassen, wenn dies geschieht wie auf dem dem Tenor angefügten Lichtbild (Anlage K 1) abgebildet.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Aufwendungsersatz in Höhe von 260 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.11.2023 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist für den Kläger hinsichtlich Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 EUR und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
((Abbildung))
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Unterlassung nach dem Unterlassungsklagengesetz wegen der Verletzung der Vorschriften der Preisangabenverordnung.
Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband ... Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehören die Wahrnehmung der Verbraucherinteressen und die Förderung des Verbraucherschutzes. Der Kläger ist in die bei dem Bundesamt für Justiz geführte Liste qualifizierter Einrichtungen im Sinne des § 4 UKlaG eingetragen.
Die Beklagte ist eine Regionalgesellschaft der X-Gruppe.
Der "Markt K" in A (und ein nicht näher bezeichneter weiterer Markt in F) bot(en) am 20.04.2023 frisch gepressten Orangensaft in verschließbaren Gefäßen in verschiedenen Größen (S, L und XL) an, wobei die Ausschilderung wie aus dem dem Tenor beigefügten Lichtbild gestaltet war (Anlage K 1). Die Werbung enthält unten rechts das "X"-Logo, darunter befindet sich der Schriftzug "S". Inhaber des Logos ist der X Verband kaufmännischer Genossenschaften e.V. mit Sitz in H.
Auf den Flaschen befindet sich keine Füllmengenangabe, ein Grundpreis für den Orangensaft wird nicht angegeben. Die Abrechnung an der Kasse erfolgte anhand der Flaschengröße unabhängig vom tatsächlichen Inhalt der Flasche.
Der "Markt K" in A, der von einem selbständigen Einzelhändler betrieben wird, gehört zu X S, einer Regionalgesellschaft der X-Gruppe. Die Dachgesellschaft ist die X S eG, wobei die jeweiligen selbständigen Einzelhändler - also auch der Inhaber des "Markt K" - Mitglieder der Genossenschaft sind. In der Satzung der X S eG ist eine genossenschaftliche Förderpflicht niedergelegt, wobei sich die Genossenschaft zur Erfüllung ihres Förderauftrags anderer Unternehmen - unter anderem der Beklagten - bedient. In der Satzung gibt es Ausschlussmöglichkeiten für den Fall, dass ein Einzelhändler einen Markt nachhaltig nicht zufriedenstellend betreibt.
Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der Genossenschaft und durch verschiedene Verträge mit den jeweiligen Einzelhändlern verbunden, etwa durch die Mietverträge der einzelnen Märkte, die zu 99 % zwischen den Einzelhändlern und der Beklagten geschlossen werden. Zwischen der Beklagten und den Einzelhändlern gibt es darüber hinaus Rahmenlieferungsverträge sowie Verträge zur Transparenznutzung des X-Logos, dessen Nutzung und Weitergabe der Beklagten vertraglich durch den X Verband kaufmännischer Genossenschaften e.V. gestattet ist. Außerdem erbringt die Beklagte für die Einzelhändler diverse Dien...