Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren setzt einen auf die Vertretung gerichteten Auftrag und eine Tätigkeit im Berufungsverfahren voraus. Dies wird nicht durch die Bitte an den Gegner in Frage gestellt, sich noch nicht zu bestellen.
2. Die 1,6-Verfahrensgebühr ist - unabhängig von der Frage ihres Anfalles - nur dann zu erstatten, wenn die Antragstellung im Berufungsverfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich war. Dies ist vor Antragstellung und Berufungsbegründung durch den Berufungsführer regelmäßig nicht der Fall.
Normenkette
ZPO §§ 91, 104; RVG §§ 2, 13; RVG-VV RVG Vorbem. 3 Abs. 2; RVG-VV Nrn. 1008, 3200-3201
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 07.11.2016; Aktenzeichen 4 O 319/15) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 28.11.2016 wird der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Trier vom 07.11.2016, zugestellt am 14.11.2016, dahin geändert, dass die von der Beklagten an die Klägerin zu 1) und die Klägerin zu 2) zu erstattenden Kosten der I. Instanz und des Berufungsverfahrens auf 3.011,08 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.226,71 EUR seit dem 05.07.2016 und aus weiteren 784,37 EUR seit dem 02.09.2016 festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte 3/4, die Kläger 1/4.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.054,82 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Die Verfahrensgebühr für den Bevollmächtigten der Kläger und Berufungsbeklagten war nicht nach Nr. 3200 VV RVG, sondern nur nach Nr. 3201 VV RVG zu bemessen.
1. Mit dem LG ist davon auszugehen, dass den Klägern die Gebühren für die Vertretung durch ihren Bevollmächtigten im Berufungsverfahren dem Grunde nach zu erstatten sind. Voraussetzung für den Anfall der Verfahrensgebühr ist ein auf die Vertretung im Berufungsver- fahren lautender Auftrag - den die Beklagte nicht in Abrede stellt - und eine Tätigkeit im Berufungsverfahren, die mit der Bestellung als Prozessbevollmächtigte der Kläger und Berufungsbeklagten aktenkundig ist.
Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, sie habe den Bevollmächtigten der Kläger gebeten, sich nicht bei dem Berufungsgericht zu bestellen. Dies ist zum einen bestritten und nicht glaubhaft gemacht (§ 104 Abs. 2 S. 1 ZPO), lässt aber zum anderen auch die Frage unberührt, ob und in welchem Umfang ein Vertretungsauftrag bereits erteilt und das Geschäft schon betrieben wurde. Die Partei kann in der Regel nicht selbstständig beurteilen, wie auf die Berufung in der hier eingelegten Form sachgerecht zu reagieren ist, so dass ein hierauf gerichteter Prüfungs- und Vertretungsauftrag hinzunehmen ist.
2. Entgegen der Auffassung des LG liegen allerdings die Voraussetzungen für die Er- stattungsfähigkeit einer 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG, insgesamt also einer 1,9-Verfahrensgebühr nicht vor. Vielmehr ist lediglich eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG, insgesamt also nur eine 1,4-Verfahrensgebühr in Höhe von 638,40 EUR, erstattungsfähig.
Die 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV-RVG entsteht im Berufungsverfahren nach Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV-RVG für das Betreiben des Geschäfts, zu dem u.a. das Einreichen von Schriftsätzen bei Gericht gehört. Allerdings ermäßigt sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV-RVG bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags auf das 1,1-fache. Eine solche vorzeitige Beendigung liegt vor, wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt einen Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht hat. Danach ist vorliegend für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgrund des von ihm eingereichten Schriftsatzes vom 15.8.2016 dem äußeren Anschein nach die 1,6-fache Verfahrensgebühr entstanden.
Hiervon ist jedoch die Frage zu unterscheiden, ob die Kläger diese Kosten in voller Höhe von der Beklagten erstattet verlangen können. Die Erstattungsfähigkeit setzt nach § 91 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO voraus, dass der den Antrag auf Zurückweisung der Berufung enthaltende Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. Die Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig sind, bestimmt sich grundsätzlich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei eine die kostenauslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH JurBüro 2015, 90). Eine Erstattung der aufgewendeten Kosten kann eine Partei deshalb nur insoweit beanspruchen, als sie ihrer aus dem Prozessrechtsverhältnis folgenden Obliegenheit nachgekommen ist, die Kosten möglichst niedrig zu halten (vgl. BGH MDR 2010, 165; BGH NJW 2009, 3102; BGH NJW 2007, 3...