Leitsatz (amtlich)
1. Eine Äußerung ist als Tatsachenbehauptung einzustufen, wenn sie einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, was bei Meinungsäußerungen ausscheidet.
2. Die Äußerung über ein wissenschaftliches Archiv, „man habe hier gefälscht und umsortiert”, um die Rolle eines Sportfunktionärs „vor 1945 zu beschönigen”, ist Meinungsäußerung und als solche keine unerlaubte Schmähkritik.
Normenkette
BGB § 1004; GG Art. 5
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 11.01.2002; Aktenzeichen 18 O 280/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des LG Köln vom 11.1.2002 – 18 O 280/01 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist seit 1982 Mitarbeiter, seit 1989 Leiter des D.-Archivs an der Deutschen Sporthochschule K. Er nimmt den Beklagten auf Unterlassung und Widerruf einer Äußerung in Anspruch, die diesem in einem in der S. Zeitung vom 21.6.2001 erschienenen Beitrag eines Herrn B. in Form eines Zitates zugeschrieben worden ist. Der Artikel (Anlagenheft – künftig: AH – Bl. 1) befasst sich mit einer vom Rat der Stadt F. beschlossenen Umbenennung der „D.-Allee”, der das Erscheinen einer Publikation im November 2000 vorausgegangen war, in der die Autoren L. und B. neue Vorwürfe gegen D.'s Wirken in der nationalsozialistischen Zeit erhoben hatten. Im letzten Absatz des Artikels wird mitgeteilt, dass sich nicht nur ggü. D. Widerstand formiere, sondern mittlerweile auch das D.-Archiv im Kreuzfeuer der Kritik stehe, das ebenso wie sein Leiter von S. – dem Beklagten – massiv angegriffen werde, woraufhin dieser mit den Worten zitiert wird: „Man hat hier gefälscht und umsortiert, um die Rolle D.'s vor 1945 zu beschönigen.”
Vom Kläger auf diesen Zeitungsbericht angesprochen, hat der Beklagte ihm einen von ihm verfassten „Kommentar” (AH Bl. 3–5) zugeleitet, der Klar- und Richtigstellungen beinhaltet und Bezug nimmt auf eine Diskussionsveranstaltung mit den Buchautoren L./B., in deren Verlauf die Worte „gefälscht und umsortiert” gefallen seien. „Tatsächlich” – so führt der Beklagte dann weiter fort – „habe ich – zumindest sinngemäß – den in der S. Zeitung zitierten Satz auch in der Hauptausschusssitzung vorgetragen, aber im Zusammenhang mit den Ergebnissen von l./B.”
Das mit Anwaltsschreiben vom 25.6.2001 gestellte Unterlassungs- und Widerrufsbegehren (AH Bl. 6–8) ließ der Beklagte zurückweisen (AH Bl. 9–10).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe bindend zugestanden, die fragliche Erklärung, bei der es sich um eine unwahre, rufschädigende Tatsachenbehauptung handele, abgegeben zu haben, die von ihm zu unterlassen und zu widerrufen sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, es bei der Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß über den Kläger als Leiter des D.-Archivs an der Deutschen Sporthochschule K. die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten:
„Man hat hier gefälscht und umsortiert, um die Rolle D.'s vor 1945 zu beschönigen”;
2. den Beklagten zu verurteilen, die im Klageantrag zu Ziff. 1. genannte Behauptung zu widerrufen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat behauptet, er habe den als wörtliches Zitat wiedergegebenen Satz in der Hauptausschusssitzung nicht gesagt, sondern lediglich die Erkenntnisse von L./B. referiert. Im Übrigen – so hat er gemeint – sei die inkriminierte Aussage einem Unterlassungs- oder Widerrufsanspruch ohnedies nicht zugänglich, zum einen, weil privilegiert, da von ihm als Ratsmitglied abgegeben, zum anderen, weil Meinungsäußerung außerhalb des Bereiches einer Schmähkritik. Sofern man hingegen eine ihm zurechenbare Tatsachenbehauptung annehme, sei diese jedenfalls wahr.
Durch Urteil vom 11.1.2002, das wegen aller Einzelheiten in Bezug genommen wird, hat das LG die Klage als schon nicht zulässig, zumindest aber unbegründet abgewiesen. Abgeordnete könnten für das, was sie in einer Sitzung erklärt hätten, äußerungsrechtlich – vom Fall einer verleumderischen Beleidigung abgesehen – nicht zur Verantwortung gezogen werden. Mindestens könnten sie die Wahrnehmung berechtigter Interessen für sich in Anspruch nehmen.
Gegen diese ihm am 18.1.2002 zugestellte Entscheidung hat der Kläger mit einem am 14.2.2002 bei dem OLG eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 15.4.2002 mit einem an eben diesem Tage bei dem OLG eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger meint, der Beklagte könne, falls überhaupt gewähltes Mitglied des Rates der Stadt F., kein Abgeordnetenprivileg – von der Gemeindeordnung NW nicht vorgesehen – für sich in Anspruch nehmen, dies umso weniger, als er bereits vor der fraglichen Hauptausschusssitzung mit seiner Aussage im Rahmen der erwähnten Diskussionsveranstaltung an die Öffentlichkeit ...