Leitsatz (amtlich)
1. Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung gemäß § 104 Nr. 2 BGB ist gegeben, wenn jemand außerstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung seiner Geistestätigkeit zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln, wobei darauf abzustellen ist, ob eine freie Entscheidung bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte nach Abwägung des Für und Wider möglich ist, oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung äußere Einflüsse den Willen übermäßig beherrschen.
2. Eine Beweiswürdigung zur Frage des Ausschlusses der freien Willensbestimmung kann gestützt auf § 411a ZPO durch Verwertung eines im Rahmen eines Betreuungsverfahrens eingeholten Gutachtens erfolgen, wenn den Parteien Kopien des Gutachtens vorliegen und sie zur beabsichtigten Verwertung angehört worden sind.
3. Die rügelose Stellung eines Sachantrages nach Kenntnisnahme von der auf § 411a ZPO gestützten Absicht der Gutachtenverwertung, führt dazu, dass die antragstellende Partei nach § 295 ZPO mit der Rüge mangelnder Verwertbarkeit sowie eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ausgeschlossen ist.
Normenkette
BGB §§ 104, 295; ZPO § 411a
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 18 O 192/12) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das das am 8.5.2013 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln (Az. 18 O 192/12) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Beklagte.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000,- EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die am 8.2.1922 geborene Erblasserin und vormalige Klägerin stand aufgrund Beschlusses des AG Bergheim vom 31.8.2011 (71 XVII 135/11) unter Betreuung und ist während des Berufungsverfahrens am 22.8.2013 verstorben - der Kläger wurde zum Nachlasspfleger bestellt (Bestellungsurkunde vom 3.9.2014, Bl. 236).
Die Parteien streiten um die Rückübertragung von Grundbesitz. Die Erblasserin war Eigentümerin eines Hausgrundstücks, dessen Wert der von der Betreuerin beauftragte Privatsachverständige Dipl. Ing. A in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 18.10.2012 (Anlage zum Klägerschriftsatz vom 22.10.2012, Bl. 98-103 d.A.) mit 225.000,- EUR angab. Mit Grundstückskaufvertrag vom 15.3.2011 (Bl. 12 ff. d. A.), über dessen Wirksamkeit die Parteien im Hinblick auf die Frage der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin streiten, verkaufte die Erblasserin dem Beklagten eine im Vertrag als "Gartenland" bezeichnete Teilfläche des Grundstücks, 664 qm groß, nach dem Bebauungsplan als Bauland ausgewiesen, zum Preis von 10.000,- EUR.
Weiterhin haben die Parteien um die Verpflichtung des Beklagten zur Auskunftserteilung über vom Konto der Erblasserin abgehobene Beträge ab dem 17.3.2011 aufgrund der dem Beklagten durch die Erblasserin am 17.3.2011 erteilten Kontovollmacht gestritten, die der Kläger ebenso wie die am 17.3.2011 ebenfalls erteilte Generalvollmacht (Bl. 19-22 d.A.) ebenfalls wegen Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin als nichtig angesehen hat.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages und der erstinstanzlich gestellten Anträge auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach vorheriger Ankündigung (Protokoll Bl. 109 d.A.) das im Betreuungsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. B vom 28.8.2011 (Bl. 25-33 d.A., ergänzende Stellungnahme vom 3.3.2012, Bl. 51 f. d. A.) als Beweismittel verwertet. Es hat den Beklagten antragsgemäß zur Rückübertragung und Auskunftserteilung verurteilt, weil es aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen B für erwiesen erachtet hat, dass die Erblasserin zur Zeit des Vertragsschlusses und der Erteilung der Generalvollmacht geschäftsunfähig war.
Mit seiner Berufung macht der Beklagte geltend, das Gutachten aus dem Betreuungsverfahren habe nicht verwertet werden dürfen. Insoweit habe das Landgericht auch seine Hinweispflichten verletzt. Der Beklagte erhebt zudem Einwendungen gegen die Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen und rügt, das Gericht habe sich nicht hinreichend kritisch mit dem Gutachten befasst. Der Beklagte trägt ergänzend zum geistigen und körperlichen Zustand der früheren Klägerin in der Zeit von März bis August 2011 vor. Er ist der Ansicht, das Landgericht habe das Beweismaß verkannt.
Der Senat hat nach vorherigem Hinweis mit Beschluss vom 27.1.2015 die Berufung zurückgewiesen und dies maßgeb...