Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundpreisangabe bei amazon
Leitsatz (amtlich)
1. Enthält ein Unternehmer Verbrauchern nach EU-Recht zu erteilende Informationen vor, widerspricht dies stets der für ihn geltenden fachlichen Sorgfalt.
2. An die fachliche Sorgfalt eines Internetversandhändlers sind keine geringeren Anforderungen zu stellen als an die eines stationären Lebensmitteleinzelhändlers; er kann sich verschuldensunabhängigen Unterlassungsansprüchen wegen fehlender Grundpreisangabe nicht dadurch entziehen, dass er auf im Massengeschäft immer wieder vorkommende Versehen und Nachlässigkeiten sonst zuverlässiger Mitarbeiter oder Beauftragter verweist.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 11; PAngV § 2
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 09.02.2012; Aktenzeichen 31 O 219/11) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 9.2.2012 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des LG Köln (31 O 219/11) wird zurückgewiesen.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil und das Urteil des LG sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte betreibt unter ihrer Domainadresse "amazon.de" einen großen Online-Versandhandel (wobei sie nicht nur Dritten eine Verkaufsplattform bietet, sondern bei den Angeboten mit der Angabe "Verkauf und Versand durch amazon.de" selbst als Verkäuferin auftritt). Der Kläger ist ein Wettbewerbsverband, dem mehrere Verbände und Unternehmen aus dem Bereich des Lebensmitteleinzelhandels angehören. Er nimmt die Beklagte wegen eigener (in den Klageantrag eingeblendeter) Angebote von Gemüsekonserven, bei denen (in fünf Fällen) der Grundpreis überhaupt nicht oder (in einem Fall) nicht zutreffend auf das Abtropfgewicht bezogen angegeben war, auf Unterlassung in Anspruch. Die Beklagte, die vorgerichtlich die Angaben korrigiert und dem Kläger die Kosten seiner Abmahnung erstattet hat, hält den Unterlassungsanspruch nicht für gegeben, weil ihr keine Verletzung der fachlichen Sorgfalt zur Last zu legen sei. Hierzu hat sie behauptet, bei den fehlerhaften Angaben habe es sich um vereinzelte "Ausreißer", nämlich versehentliche Fehleintragungen sonst zuverlässiger Mitarbeiter oder Dienstleister in die zum Hochladen der Angebote auszufüllenden Onlineformulare ("Upload-Sheets") gehandelt. Daneben hat sie die Antragsfassung beanstandet sowie die Klagebefugnis und Aktivlegitimation des Klägers in Abrede gestellt.
Das LG hat der Klage unter Modifikationen stattgegeben. Gegen dieses Urteil, auf dessen Feststellungen verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihr Abweisungsbegehren weiter verfolgt, ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft und sich gegen die Fassung des Urteilstenors wendet. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und bittet im Wege der Anschlussberufung hilfsweise für den Fall, dass der Senat von einer relevanten Abweichung von Klageantrag und Urteilstenor ausgehen sollte, um Verurteilung der Beklagten nach seinem Antrag aus der Klageschrift.
II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, während die ebenfalls zulässige Hilfsanschlussberufung mangels Eintritts der dafür maßgeblichen Rechtsbedingung gegenstandslos ist.
1. Indem das LG den Klageantrag modifiziert, nämlich im verbalen Teil des Urteilstenors die genauen Produktbezeichnungen weggelassen hat, hat es (wie bei der Veränderung der Reihenfolge von Unterlassungsgebot und Ordnungsmittelandrohung, mit der ersichtlich keine Inhaltsänderung einher ging) den Antrag lediglich redaktionell geändert, dem Kläger aber keineswegs entgegen § 308 Abs. 1 ZPO ohne vorangegangenen Hinweis nach § 139 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und 4 ZPO etwas anderes zugesprochen als dieser beantragt hatte. Denn bereits die Klage war durch die Bezugnahme auf die einblendeten Online-Angebote mit "wie nachstehend ... wiedergegeben" eindeutig auf die daraus ersichtliche konkrete Verletzungsform beschränkt (vgl. BGH, GRUR 2011, 340 = WRP 2011, 459 [Rn. 21] - Irische Butter; GRUR 2011, 742 = WRP 2011, 873 [Rn. 17] - Leistungspakete im Preisvergleich; GRUR 2012, 842 = WRP 2012, 1096 [Rz. 13] - Neue Personenkraftwagen; GRUR 2012, 943 = WRP 2012, 1083 [Rz. 18] - Call-by-Call). Die vom LG in den Tenor übernommenen verbalen Zusätze "unter Preisangabe zu bewerben, ohne für das betreffende Produkt den Grundpreis anzugeben" bzw. "unter Preisangabe zu bewerben, ohne für das betreffende Produkt den Grundpreis bezogen auf das Abtropfgewicht anzugeben" machen erkennbar, in welchem Umfang der Kläger über die Umstände des konkret beanstandeten Verhaltens hinaus andere ...