Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verjährungshemmung nach §§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F., 167 ZPO durch die Einreichung eines die geltend gemachten Ansprüche hinreichend individualisierenden Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Einordnung der Zustellung eines Mahnbescheids als "demnächst" nach seiner Beantragung i.S.d. § 167 ZPO.
Der Umstand, dass (insgesamt fünf) Zustellungsversuche nicht erfolgreich waren, weil der Briefzusteller der Deutsche Post AG die Anschrift des Zustellungsempfängers für die Arbeitsplatzanschrift gehalten und diesen dort nicht angetroffen hat, diesen unter der Adresse nicht ermitteln konnte oder die Anschrift in eine andere Adresse, an die der Zustellungsempfänger angeblich verzogen sei, geändert hat, fällt nicht in den Verantwortungsbereich der Klägerin, sondern des - für die Zustellung des Mahnbescheids von Amts wegen zuständigen - AG.
Sofern das LG der Klägerin angelastet hat, dass sie nach den jeweiligen Mitteilungen über die Unzustellbarkeit des Mahnbescheids längere Zeit nichts unternommen habe, um die Zustellung voranzutreiben, kann dies auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht als Nachlässigkeit der Klägerin gewertet werden.
Normenkette
ZPO §§ 167, 177-178, 691, 696; BGB § 204
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 16.03.2010; Aktenzeichen 29 O 137/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.3.2010 verkündete Urteil der 29. Zivilkammer des LG Köln - 29 O 137/06 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil der 29. Zivilkammer des LG Köln vom 10.6.2008 - 29 O 137/06 - wird teilweise aufgehoben und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 6.046,67 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.377,99 EUR seit dem 1.1.2002 und aus weiteren 2.668,68 EUR seit dem 1.4.2003 zu zahlen. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 10.6.2008 aufrechterhalten.
Die Klägerin trägt die Kosten ihrer erstinstanzlichen Säumnis. Im Übrigen haben die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens die Klägerin zu 17 % und der Beklagte zu 83 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
I. Die zulässige, unter Einhaltung der Frist- und Formerfordernisse der §§ 517, 519 ZPO eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter, soweit sie mit Rechnung vom 3.8.2000 Installationskosten i.H.v. umgerechnet 1.631,50 EUR für die Erweiterung des Kommunikationssystems und mit Rechnung vom 25.11.2000 Miete i.H.v. umgerechnet 1.746,49 EUR für das Jahr 2001 verlangt hat. Insofern stehen der Klägerin gegen den Beklagten durchsetzbare Zahlungsansprüche zu.
1. Entgegen der Ansicht des LG sind entsprechende Zahlungsansprüche der Klägerin nicht verjährt.
a) Die Verjährungsfrist für die (der vier- bzw. zweijährigen Verjährungsfrist der §§ 196 Abs. 1 Nrn. 1, 6, Abs. 2 BGB a.F. unterfallenden) Ansprüche auf Ausgleich der Installationskosten sowie auf Zahlung der Miete für das Jahr 2001 ist abweichend von der Annahme des LG nicht bereits am 31.12.2004 abgelaufen. Vielmehr ist die Verjährung gemäß den §§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB n.F., 167 ZPO durch die Einreichung eines die geltend gemachten Ansprüche hinreichend individualisierenden Antrags der Klägerin auf Erlass eines Mahnbescheids gegen den Beklagten schon vor Ablauf des Jahres 2003 gehemmt worden.
Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids ist dem Beklagten abweichend von der Einschätzung des LG "demnächst" i.S.d. § 167 ZPO zugegangen. Ein Antrag ist demnächst zugestellt, wenn die Partei und ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtumstände das ihnen Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben. Dies ist nicht der Fall, wenn und soweit die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges Verhalten zu einer nicht nur ganz geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben (vgl. BGH NJW 2005, 291 [292]; 2003, 2930, 2831).
Bereits die vom früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin im ursprünglichen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids vom 4.8.2003 angegebene Anschrift N. 000 in E. stellte eine zustellfähige Adresse dar, unter welcher der Beklagte angetroffen werden konnte. Wie sich aus den aktenkundigen Zustellungsunterlagen ergibt und der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zugestanden hat, war an jener Anschrift die T. Außenwerbung GmbH ansässig, bei welcher der Beklagte als Geschäftsführer beschäftigt ist. Eine Zustellung ist aber nicht nur in der Wohnung (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), sondern auch dort zulässig, wo der Adressat - wie nahe liegender Weise an seiner Arbeitsstätte (vgl. §§ 177, 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) - angetroffen wird.
Zudem hat der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin schon am 17.11.2003 erstmals beantragt, den M...