Leitsatz (amtlich)

Ein handschriftlich errichtetes Testament ist unwirksam, wenn die "Unterschrift" die Verfügung nicht räumlich abschließt, sondern sich in der Mitte des Testaments befindet und die Person des Erben erst darunter genannt wird (Anschluss an: BayObLG, Beschluss vom 14. November 1974 - BReg 1 Z 73/74).

 

Normenkette

BGB §§ 125, 2247

 

Verfahrensgang

AG Rosenheim (Aktenzeichen VI 1624/22)

 

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim - Nachlassgericht - vom 23.03.2023, Az. VI 1624/22, wird zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten.

 

Gründe

I. Der Beschwerdeführer ist der Neffe der am 21.05.1951 geborenen und am 04.05.2022 verstorbenen Erblasserin. Die Erblasserin war geschieden, hatte keine eigenen Kinder, ihre Eltern waren vorverstorben. Die Mutter des Beschwerdeführers und der Beteiligte zu 2) waren die Geschwister der Erblasserin, die außerdem sechs Halbgeschwister hatte, wovon fünf vorverstorben waren und insgesamt sechs Nichten bzw. Neffen und drei Großnichten bzw. -neffen hinterließen.

Der Beschwerdeführer übergab am 01.06.2022 folgende handschriftliche Verfügung der Erblasserin:

10.3.2022

Testament!

Ich xx [= Name der Erblasserin]

Vermache alles was ich habe.

Mein Sparbuch-Konto

Raifeisenbank Rosenheim.

Versicherung bei der

ZüricherVersicherung

xx - xx

["Unterschrift" der Erblasserin]

An Herrn xx [= Beschwerdeführer]

xx [Anschrift]

Das Nachlassgericht hat den Antrag des Beschwerdeführers vom 19.06.2022 auf Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben aufgrund Testaments vom 10.03.2022 ausweist, mit Beschluss vom 23.03.2023 zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde. Er meint, das Testament sei formwirksam errichtet, die Unterschrift decke den gesamten Inhalt des Testaments, auch wenn sie in der Mitte stehe, da das Testament nur im Zusammenhang der beiden Teile - oberhalb und unterhalb der Unterschrift - sinnvoll und vollständig sei, so dass die Unterschrift ausnahmsweise wirksam sei. Das Testament habe die Erblasserin auffällig gut sichtbar in einem Umschlag, der mit "Testament" beschriftet war, in einen Vitrinenschrank platziert. Zudem habe die Erblasserin gegenüber Verwandten und Freunden, die hier als Zeugen angeboten werden, erklärt, dass der Beschwerdeführer Alleinerbe werden solle.

Der Beschwerde hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 03.05.2023 nicht abgeholfen, da ein Ausnahmefall, wonach die Unterschrift ausnahmsweise formwirksam sei, hier nicht vorliege, und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die zulässige Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Zutreffend ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben aufgrund Testaments vom 10.03.2022 ausweist, zurückzuweisen ist. Der Senat teilt die Ansicht des Nachlassgerichts, dass das Testament vom 10.03.2022 formunwirksam ist.

1. Ein eigenhändiges Testament ist nach § 2247 BGB nur wirksam errichtet, wenn es eigenhändig geschrieben und unterschrieben ist. Die Formvorschriften sind zwingend; ein Verstoß führt zur Nichtigkeit des Testaments, § 125 BGB, auch wenn die Urheberschaft und die Ernstlichkeit der Erklärung feststehen.

a) Durch die Formvorschriften für Testamente verfolgt das Gesetz verschiedene Zwecke: Die einzuhaltenden Förmlichkeiten sollen den Erblasser dazu veranlassen, sich selbst klar darüber zu werden, welchen Inhalt seine Verfügung von Todes wegen haben soll, und seinen Willen möglichst deutlich zum Ausdruck zu bringen. Sie sollen außerdem dazu dienen, Vorüberlegungen und Entwürfe von der maßgebenden Verfügung exakt abzugrenzen. Die Eigenhändigkeit eines Testaments soll nach der Wertung des Gesetzes außerdem eine erhöhte Sicherheit vor Verfälschungen des Erblasserwillens bieten. Alle diese Formzwecke sollen in ihrer Gesamtheit dazu beitragen, verantwortliches Testieren zu fördern und Streitigkeiten der Erbprätendenten über den Inhalt letztwilliger Verfügungen hintanzuhalten (BGH, Beschluss vom 9. April 1981 - IVa ZB 4/80 -, BGHZ 80, 242-246, Tz. 15). Ein Mindestmaß an Formerfordernissen für ein ordentliches eigenhändiges Testament ist daher im Interesse von Rechtssicherheit und privatem Rechtsfrieden unerlässlich (vgl. Burandt/Rojahn/Lauck, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, BGB § 2247 Rn. 1 m.w.N.).

b) Die zwingend erforderliche Unterschrift muss grundsätzlich am Schluss des Textes stehen; Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die Identifikation des Erblassers zu ermöglichen, zu dokumentieren, dass der Erblasser sich zu dem über der Unterschrift befindlichen Text bekennt sowie den Urkundentext räumlich abzuschließen und damit vor nachträglichen Ergänzungen und Zusätzen zu sichern (BayObLG, Beschluss vom 29. Juli 2004 - 1Z BR 039/04 -, juris Tz. 23). Da die Unterschrift nur den Mindestinhalt eines Testaments abschließen muss, ist unschädli...

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