Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Einigungsgebühr bei Klagerücknahme nach Erfüllung der Klageforderung
Verfahrensgang
LG Landshut (Beschluss vom 11.05.2010; Aktenzeichen 73 O 43/10) |
Tenor
I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Landshut vom 11.5.2010 wird dahin abgeändert, dass die von den Beklagten als Gesamtschuldner an die Klagepartei zu erstattenden Kosten einschließlich Gerichtskosten von 242 EUR auf 437,80 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.3.2010 festgesetzt werden.
II. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Wert der Beschwerde beträgt 673,54 EUR.
Gründe
I. Die Beklagte zu 2) hat nach Zustellung der Klageschrift dem LG Landshut mit Schreiben vom 18.1.2010 mitgeteilt, man nehme von einer Prozessführung Abstand. Der Klagebetrag nebst Zinsen sei an die Gegenseite überwiesen worden. Man gehe davon aus, dass die Klage zurückgenommen werde. Für den Fall, dass die Hauptsache für erledigt erklärt werde, stimme man schon jetzt ausdrücklich zu. Man versichere, keinen Kostenantrag zu stellen und die festsetzbaren Rechtsanwaltsgebühren sowie die angefallenen Gerichtskosten zu übernehmen. Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11.2.2010 die Klagerücknahme erklärt. Auf Antrag des Klägers hat das LG Landshut mit Beschluss vom 8.3.2010 den Beklagten als Gesamtschuldnern die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 13.055,47 EUR festgesetzt. Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 11.5.2010 die von der Beklagtenpartei als Gesamtschuldner an die Klagepartei zu erstattenden Kosten einschließlich Gerichtskosten von 242 EUR auf 1.111,34 EUR festgesetzt und dabei u.a. eine Einigungsgebühr i.H.v. 566 EUR netto bzw. 673,54 EUR brutto berücksichtigt. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, eine Einigungsgebühr sei nicht anzusetzen. Eine Einigung über Ansprüche einer Partei sei nicht erfolgt, auch wenn diese nicht formbedürftig sei. Die Mitteilung der Beklagten zu 2), man nehme von einer Prozessführung Abstand, beruhe auf keinem Nachgeben und keiner Einigung. Ein Gespräch mit dem Kläger hierüber sei nicht geführt worden. Wenn die Beklagte zu 2) sich auf die Mitteilung beschränkt hätte, dass mittlerweile Zahlung erfolgt sei, hätte seitens des Klägers eine Erledigungserklärung abgegeben werden müssen. In dieser Situation hätte sich die Frage einer Einigung nicht gestellt. Unabhängig von der Mitteilung der Beklagten zu 2) hätte diese die Kosten des Rechtsstreits zu tragen gehabt, und zwar sowohl bei einer Klagerücknahme als auch bei einer Erledigungserklärung.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).
Das Rechtsmittel hat auch in vollem Umfang Erfolg. Die von der Rechtspflegerin festgesetzte Einigungsgebühr ist nicht entstanden und damit auch nicht erstattungsfähig.
1. Die Einigungsgebühr entsteht nach der Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht form bedürftig, sofern dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist. Während die Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO durch die Verweisung auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzte, soll durch die Einigungsgebühr jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honoriert und dadurch ein Anreiz geschaffen werden, diesen Weg der Erledigung des Rechtsstreits zu bestreiten. Die Einigung entsteht demnach nur dann nicht, wenn der von den Beteiligten geschlossene Vertrag das Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch ausschließlich zum Inhalt hat (BGH NJW 2006, 1523, 1524; BGH NJW-RR 2007, 359 = JurBüro 2007, 73).
2. Eine einseitige prozessuale Gestaltungserklärung wie eine Klagerücknahme und die gegebenenfalls erforderliche Zustimmung des Prozessgegners hierzu beinhalten als solche keine Vereinbarung in diesem Sinne und führen damit grundsätzlich nicht zur Entstehung einer Einigungsgebühr für die beteiligten Prozessbevollmächtigten. Der Kläger weist jedoch zu Recht darauf hin, dass etwas anderes dann gilt, wenn die Parteien über die Klagerücknahme und die Zustimmung der beklagten Partei oder einen Verzicht der Beklagten auf einen Kostenantrag eine Vereinbarung treffen, also einen Vertrag schließen (OLG München JurBüro 1992, 322 = AnwBl. 1993, 43; OLG Koblenz JurBüro 2006, 638; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., W1000 Rz. 41, 42; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., RVG-VV 1000 Rz. 9 und Rz. 32, Stichwort "Klagerücknahme").
a) Der Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Unge-wissheit über ein Rechtsverhältnis im Sinne der Nr. 1000 RVG-VV beseitigt wird, k...