Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Ein Erbvertrag macht eine spätere Verfügung von Todes wegen insoweit unwirksam, als sie das Recht der vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde (§ 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB).

  • 2.

    Nach § 2281 Abs. 1 BGB und § 2078 Abs. 2 BGB kann eine erbvertragliche letztwillige Verfügung angefochten werden, soweit die Erblasserin zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes bestimmt worden ist; darunter fällt jeder Motivirrtum, gleichgültig, ob sich der Irrtum auf die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft bezieht.

  • 3.

    Die Anfechtung kann nur auf solche irrige Vorstellungen und Erwartungen gestützt werden, die die Erblasserin bei der Errichtung der Verfügung tatsächlich gehabt hat; dazu gehören auch Vorstellungen und Erwartungen, die sie zwar nicht in ihr Bewusstsein aufgenommen, aber als selbstverständlich ihrer Verfügung zugrunde gelegt hat.

  • 4.

    Die Frage, ob ein solcher Irrtum vorlag, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet; die Feststellung des Sachverhalts und die Würdigung der Tatsachen können nur auf Rechtsfehler überprüft werden, nämlich darauf, ob das Tatsachengericht den maßgeblichen Sachverhalt genügend erforscht und alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat, nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat und ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat.

  • 5.

    Es spricht gegen eine Verknüpfung der Erbeinsetzung mit einer lebenslänglichen Pflegeverpflichtung der Eltern, wenn in dem Erbvertrag nicht einmal andeutungsweise ein solches Motiv bekundet worden ist.

  • 6.

    Die Feststellungslast für die anfechtungsbegründenden Tatsachen (Beweggrund und Kausalität) trägt der Anfechtende; an den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen.

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Entscheidung vom 20.03.2007; Aktenzeichen 64 T 334/07)

AG Eggenfelden (Aktenzeichen VI 539/06)

 

Tenor

  • I.

    Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Landshut vom 20. März 2007 wird zurückgewiesen.

  • II.

    Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Erblasserin verstarb am 9.6.2006 im Alter von 85 Jahren. Ihr Ehemann war vorverstorben. Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind die leiblichen Kinder der Erblasserin.

Die Erblasserin und ihr Ehemann schlossen am 6.6.2002 einen Erbvertrag. In diesem Erbvertrag wurde die bereits früher vereinbarte gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute ausdrücklich aufrechterhalten. Als Rechtsnachfolger des Letztversterbenden sowie für den Fall des gleichzeitigen Todes setzten die Eheleute die Beteiligte zu 2 zur alleinigen Erbin ein. Als Ersatzerben bestimmten sie den Ehemann der Beteiligten zu 2. In dem Erbvertrag war vorgesehen, dass sämtliche Verfügungen als vertragsmäßig anzusehen sind. Gründe für den Ausschluss der Beteiligten zu 1 und zu 3 von der Erbfolge sind in dem Erbvertrag nicht genannt. Mit notarieller Urkunde vom 3.2.2005 focht die Erblasserin die Schlusserbeneinsetzung sowie die Ersatzerbeneinsetzung in dem Erbvertrag vom 6.6.2002 an. Die Erblasserin stützte ihre Anfechtung darauf, dass sie und ihr Ehemann bei Abfassung des Erbvertrags vom 6.6.2002 erwartet hätten, die Beteiligte zu 2 pflege den länger Lebenden bis zu seinem Tod persönlich und nehme ihn in ihren Haushalt auf. Dieses Versprechen habe sie ihren Eltern unmittelbar vor Unterzeichnung des Erbvertrags mündlich gegeben. Mit weiterer notarieller Urkunde vom 3.2.2005 setzte die Erblasserin die Beteiligten zu 1 und zu 3 zu gleichen Teilen zu ihren Erben ein.

Das Nachlassgericht kündigte mit Beschluss vom 11.12.2006 die Erteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt an, dass die Erblasserin von der Beteiligten zu 2 allein beerbt worden ist. Gegen diese Entscheidung legte der Beteiligte zu 1 mit Schriftsatz vom 20.12.2006 Beschwerde ein. Diese hat das Landgericht mit Beschluss vom 20.3.2007 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 24.4.2007. Nach dem Beschwerdeverfahren hat das Nachlassgericht den beantragten Alleinerbschein erteilt. Der Beteiligte zu 1 hält seine weitere Beschwerde mit der Maßgabe aufrecht, dass das Beschwerdeverfahren zur Einziehung des Erbscheins führen solle.

II.

1.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Die zwischenzeitliche Erteilung des Erbscheins an die Beteiligte zu 2 hat das Rechtschutzbedürfnis des Beteiligten zu 1 nicht entfallen lassen. Sein Vorbringen ist nunmehr dahin aufzufassen, dass er mit der weiteren Beschwerde das Ziel verfolgt, den erteilten Erbschein einzuziehen (vgl. BayObLGZ 1982, 236/239; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 51).

2.

Die weitere Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

a)

Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beteiligte zu 2 habe die Erblasserin allein beerbt aufgrund des Erbvertrages vom 6.6.2002. Das Testament vom 3.2.2005 komme nicht zum Tragen, weil die erbvertragliche Bindung entgegenste...

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