Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds
Leitsatz (amtlich)
1. Die gerichtliche Abberufung ergänzt die in § 103 Abs. 1, 2 AktG und in den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften geregelten Abberufungsrechte und versteht sich als ultima ratio.
2. Hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grundes ist entscheidend, dass das weitere Verbleiben des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds im Amt die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats nicht unerheblich beeinträchtigt oder eine sonstige Schädigung der Gesellschaft erwarten lässt, mithin für die Gesellschaft unzumutbar ist. Entsprechend § 84 Abs. 3 S. 2 AktG und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles ist dies bei grober Pflichtverletzung des Aufsichtsratsmitglieds oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Wahrnehmung der Aufsichtsratsaufgaben regelmäßig zu bejahen.
3. Nach § 394 AktG unterliegen Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat entsandt oder gewählt worden sind, hinsichtlich der Berichte, die sie der Gebietskörperschaft zu erstatten haben, keiner Verschwiegenheitspflicht, so dass eine entsprechende Informationsweitergabe keinen wichtigen Grund für eine Abberufung darstellen kann.
4. Das Fernbleiben von Aufsichtsratssitzungen kann erst dann einen wichtigen Grund zur Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds darstellen, wenn es auf eine Boykotthaltung des Aufsichtsratsmitglieds schließen lässt. Im Übrigen setzt eine als Boykott einzustufende Nichtteilnahme eines Aufsichtsratsmitglieds an einer Aufsichtsratssitzung voraus, dass das Aufsichtsratsmitglied rechtzeitig und ordnungsgemäß geladen und über die einzelnen Tagesordnungspunkte vorab ausreichend, in der Regel durch Überlassung entsprechender schriftlicher Unterlagen, informiert wurde.
Normenkette
AktG § 84 Abs. 3 S. 2, § 103 Abs. 3 S. 1, § 394
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 21.10.2016; Aktenzeichen HRB 40823 Fall 37) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts München, Registergericht vom 21.10.2016 wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin hat dem Beteiligten zu 2) - Gerhard Schöner - dessen notwendige außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren zu erstatten
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 60.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, Zutreffend hat das Registergericht ausgeführt, dass ein wichtiger Grund, der allein zur Abberufung des Beteiligten zu .2) als Aufsichtsrat der K2. AG führen könnte, nicht vorliegt.
1. Nach § 103 Abs. 3 AktG kann das Gericht auf Antrag ein Aufsichtsratsmitglied abberufen, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt. Hiervon betroffen sind sämtliche Aufsichtsratsmitglieder, neben den gewählten Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern auch entsandte und gerichtlich besteilte Mitglieder. Die gerichtliche Abberufung ergänzt die in § 103 Abs. 1, 2.AktG und in den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften geregelten Abberufungsrechte und versteht sich als ultima ratio (Habersack in: MüKo Aktiengesetz, 4. Auflage ≪2014 ≫, § 103 Rn. 33). Der in § 103 III 1 AktG als Voraussetzung für die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aufgeführte "wichtige Grund" stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Dies bedeutet, dass die Tatbestandsmerkmaie der Norm auf Grund einer wertenden Beurteilung der vom Tatrichter festzustellenden Tatumstände auszufüllen sind. Bei Vorliegen eines unbestimmten Rechtsbegriffs hat also das Beschwerdegericht die Subsumtion der festgestellten Tatsachen unter das Gesetz nachzuprüfen, wobei die vom Regästergericht rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen bindend, ihre Bewertung im Hinblick auf die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs aber nachprüfbar ist. Es ist darauf abzustellen, ob der Tatrichter den unbestimmten Rechtsbegriff zutreffend erfasst und ausgelegt, d.h. insbesondere, die dem Begriff zugrunde liegenden Bewertungsmaßstäbe erkannt hat, und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt sind (OLG Stuttgart NZG 2007,72)
Hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grundes ist entscheidend, dass das weitere Verbleiben des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds im Amt die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats nicht unerheblich beeinträchtigt oder eine sonstige Schädigung der Gesellschaft erwarten lässt, mithin für die Gesellschaft unzumutbar ist. Entsprechend § 84 Abs. 3 S. 2 AktG und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles ist dies bei grober Pflichtverletzung des Aufsichtsratsmitglieds oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Wahrnehmung der Aufsichtsratsaufgaben regelmäßig zu bejahen (Habersack in: MüKo AktG a.a.O. Rn. 39). Ein wichtiger Grund kann gegeben sein, wenn das Aufsichtsratsmitglied die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat behindert, durch sein intrigantes Verhalten das Vertrauensverhältnis zerstört oder wiederholt unentschuldigt den Aufsichtsratssitzungen fe...