Entscheidungsstichwort (Thema)
Erkrankung, Testament, Berufung, Erblasserin, Berufungsverfahren, Wirksamkeit, Erledigung, Beweis, Tatsachenbehauptung, Erblasser, Zahlung, Beweisaufnahme, Wohnung, Gutachten, Ergebnis der Beweisaufnahme, medizinische Untersuchung
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 29.09.2020; Aktenzeichen 20 O 5437/18) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 29.9.2020, Az.: 20 O 5437/18 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil des Senats und das in Ziffer 1 genannte Endurteil des Landgerichts München I sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht Ansprüche aus einem handschriftlich errichteten Testament der Erblasserin vom 20.8.2016 (Anlage K 2) gegen den Beklagten, der die Erblasserin beerbt hat, geltend.
In diesem Testament verfügte die Erblasserin, dass die Klägerin
"von meinem Vermögen 0 000 Euro erbenerben"
soll.
Der Beklagte verteidigt sich mit der Behauptung, die Erblasserin habe bei der Errichtung des Testaments nicht mehr lesen können, weswegen das Testament wegen Testierunfähigkeit nichtig sei.
Das Erstgericht hat der Klage stattgegeben. Es sah nach dem schriftlichen Sachverständigengutachten der Sachverständigen F. keine Anhaltspunkte für eine Leseunfähigkeit der Erblasserin.
Im Übrigen nimmt der Senat hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Feststellungen im Endurteil des Landgerichts München I vom 29.9.2020 Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Der Beklagte rügt in seiner Berufungsbegründung vom 5.1.2021 (Bl. 225/240 d.A.), dass es das Erstgericht unterlassen hat, die Sachverständige F. mündlich anzuhören. Außerdem hätte es Beweis über die Behauptung erheben müssen, die Erblasserin habe nicht mehr lesen können.
Zudem sei gegenüber einem todesnahen Testament Skepsis angebracht. Hinsichtlich der Beweislast treffe diese die Klägerin, da sich diese auf eine Verfügung von Todes wegen beruft.
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren (Bl. 225/226):
Das Urteil des Landgerichts München I vom 29.9.2020, Az.: 20 O 5437/18 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt (Bl. 250),
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Terminsladung vom 21.1.2021 (Bl. 242/245) rechtliche Hinweise erteilt und die Zeugin S. und die Sachverständige F. geladen. Mit gerichtlicher Verfügung vom 11.2.2021 wurde zudem der Zeuge P. geladen (Bl. 257 d.A.).
Am 19.4.2021 hat der Senat mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Inhalts und Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll (Bl. 263/272) Bezug genommen. Eine gütliche Einigung war nicht möglich.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen S. und P. sowie durch Anhörung der Sachverständigen F. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.4.2021 Bezug genommen.
Die Parteien hatten Gelegenheit, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.
Ergänzend verweist der Senat auf die von den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
II. Die zulässige Berufung bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts, auf dessen Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ist im Ergebnis richtig.
Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 50.000 EUR aus dem Vermächtnis der Erblasserin vom 20.8.2016 verurteilt (§ 2174 BGB).
Auch der Senat ist nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Erblasserin das Testament, das das Vermächtnis zugunsten der Klägerin anordnet, wirksam errichtet hat.
Soweit der Beklagte gegen die Wirksamkeit des Testaments einwendet, die Erblasserin sei bei dessen Errichtung testierunfähig gewesen, weil sie nicht mehr lesen und schreiben konnte (§ 2247 Abs. 4 BGB), konnte er diesen, ihm obliegenden Beweis, zur Überzeugung des Senats nicht führen.
1. Der Senat legt seiner Entscheidung folgende Rechtsgrundsätze zugrunde:
- Wer nicht zu lesen (auch bei einer vorübergehenden Sehstörung) oder zu schreiben vermag, kann kein eigenhändiges Testament errichten (Krätzschel in: Firsching/Graf Nachlassrecht 11. Auflage ≪2019≫, § 8 Rn. 25). Bis zum Beweis des Gegenteils ist jedoch bei einem handschriftlichen Testament vom Normalfall der Lesefähigkeit auszugehen (OLG Düsseldorf ZEV 2000, 316; BayObLG FamRZ 1987, 1199).
- Die Beweislast für die Leseunfähigkeit der Erblasserin trägt der Beklagte, denn wenn der Erblasser ein eigenhändiges Testament geschrieben hat und nicht feststeht, ob er Geschriebenes noch zu...