Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermessensfehlerhafte Versagung einer Baugenehmigung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Versagung einer Baugenehmigung ist ermessensfehlerhaft, wenn sie zwar isoliert betrachtet rechtmäßig wäre, jedoch eine nachfolgende (rechtmäßige) anderweitige Genehmigung des nämlichen Vorhabens nicht auf tragfähigen Differenzierungsgründen beruht.

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Urteil vom 19.04.2001; Aktenzeichen 3 O 1876/00)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 29.04.2003; Aktenzeichen VI ZR 260/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Endurteil des LG Ingolstadt vom 19.4.2001 aufgehoben und die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Wegen der Höhe des der Klägerin zustehenden Schadensersatzanspruches wird das Verfahren zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das LG Ingolstadt zurückverwiesen.

II. Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 Euro.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadenersatz wegen behaupteter fehlerhafter Behandlung eines Bauantrages.

Die Klägerin ist als Bauträgerin tätig. Sie erwarb im Januar 1994 die Grundstücke Flur-Nr. 312/70 und 312/71 in ... zu einem Gesamtkaufpreis von 618.370 DM. Am 11.8.1994 stellte die Klägerin bei der Beklagten Bauantrag zur Errichtung von vier Doppelhaushälften mit sechs Fertiggaragen auf den vorgenannten beiden Grundstücken, die im Bereich des Bebauungsplanes Nr. 927 der Beklagten vom 14.1.1982 liegen. Der Bebauungsplan sieht unter anderen auch für die vorgenannten Grundstücke, um die Bebauung am Ortsrand aufzulockern und einen harmonischen Übergang zur freien Landschaft herzustellen, die Bebauung mit Einzelhäusern vor. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich nicht um eine nachbarschützende Bestimmung handelt. Am 30.9.1994 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass die beantragte Baugenehmigung nicht erteilt werden würde, da die durch den Bebauungsplan vorgeschriebene Einzelhausbebauung nicht eingehalten werde und ein Dispens städtebaulich nicht vertretbar sei. Abgesehen vom Gesichtspunkt Einzelhausbebauung bestanden gegen das Vorhaben der Klägerin keine bauplanerischen oder baurechtlichen Bedenken. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten erging am 10.11.1994. Das Widerspruchsverfahren bei der Regierung von ... blieb erfolglos. Von einer gerichtlichen Überprüfung der Entscheidungen der Beklagten und der Regierung von ... sah die Klägerin ab.

Am 28.4.1995 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Bauantrag auf Errichtung von vier Reihenhäusern auf den vorgenannten Grundstücken, der am 28.6.1995 von der Beklagten positiv verbeschieden wurde. Die Klägerin musste Anfang 1997 die beiden Grundstücke unbebaut verkaufen, da sich das Reihenhausprojekt als unwirtschaftlich erwies. Dem Erwerber der Grundstücke, dem Bauträger ..., wurde von der Beklagten am 10.7.1997 ein Vorbescheid erteilt, demzufolge eine Bebauung der Grundstücke mit zwei Doppelhäusern mit vier Carports und vier Stellplätzen unter Befreiung von der Festsetzung Einzelhausbebauung genehmigungsfähig ist. Den Vorbescheidsantrag ... vom 30.4.1997, der auf den Bau von zwei Doppelhäusern mit zwei Carports, zwei Garagen und vier Stellplätzen gerichtet war, hatte auch die Klägerin als betroffene östliche Nachbarin unterzeichnet. Der Vorbescheid vom 10.7.1997 wurde der Klägerin nicht mitgeteilt. Am 30.10.1997 erteilte die Beklagte entsprechend dem Vorbescheid die Baugenehmigung für das Bauvorhaben ..., die der Klägerin als Nachbarin am 3.11.1997 mittels Postzustellungsurkunde bekannt gegeben wurde.

Das Vorhaben ... beanspruchte bei gleicher Gebäudehöhe eine größere Grundfläche wie das nicht genehmigte streitgegenständliche Vorhaben der Klägerin, da dieses auch das Obergeschoss als Wohnraum genutzt hätte.

Dem Bauantrag der Klägerin waren sämtliche Unterschriften der östlichen Nachbarn beigefügt. Die westliche Nachbarin ... hatte dem Geschäftsführer der Klägerin ggü. die Unterschrift verweigert. Der Vorbescheidsantrag ... war auch von der westlichen Nachbarin ... unterzeichnet, nicht jedoch von sämtlichen östlichen Nachbarn. Diejenigen östlichen Nachbarn, die nicht unterzeichnet hatten, wurden von der Beklagten sämtlich vom Vorbescheidsantrag unterrichtet. Nachdem sich daraufhin keiner der Nichtunterzeichnenden bei der Beklagten gemeldet hat, erging der Vorbescheid.

Beide Parteien gehen davon aus, dass das Bauvorhaben ... rechtmäßig genehmigt wurde.

Die beiden ursprünglich ungeteilten Grundstücke 312/70 und 312/71 grenzen im Osten unmittelbar und im Norden nur getrennt durch den ... an das Mischgebiet an. Beide Grundstücke sind in Relation zu den anderen Grundstücken in südlicher Reihe langgestreckt geformt.

Im Jahr 1994 war das Grundstück 312/72 mit sieben Mehrfamilienhäusern - 33 Wohneinheiten - bebaut. Auf dem Grundstück 312/69 war ein Einfamilienhaus mit Büroanbau errichtet. Im Übrigen war die südliche Reihe zwischen den Grundstücken 312/58 und 312/68 unbebaut. Das Grundstück 312/57 war 1994 bereits mit z...

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