Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle der Beschlusszurückweisung der Berufung trägt - anders als bei Rücknahme der Berufung - der Anschlussberufungskläger die Kosten der Anschlussberufung.
2. Zum Haftungsanteil eines überholenden Pkw-Fahrers bei Nichteinhaltung des Mindestabstandes zu einem Radfahrer.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 23.12.2004; Aktenzeichen 10 O 2589/04) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.12.2004 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des LG Magdeburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 5.715,79 EUR.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten war im Beschlusswege gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen, da ihr Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache zudem keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern.
Wegen der Einzelheiten der Gründe für die Zurückweisung nimmt der Senat auf seinen Hinweis vom 30.6.2005 Bezug. Die Stellungnahme der Beklagten vom 6.7.2005, in der sie wiederholend ausführt, die nur geringe Unterschreitung des Sicherheitsabstandes zur überholten Radfahrerin rechtfertige nicht die Anrechnung eines Mitverschuldensanteils von 1/5 zu ihren Lasten, vermag nicht zu überzeugen. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass ein völliger Haftungsausschluss der Beklagten ihren schuldhaften Verstoß gegen § 5 Abs. 4 StVO nicht gebührend berücksichtigen würde. Ein Mindestabstand beim Überholen eines Radfahrers im gleichgerichteten Verkehr dient dessen Schutz vor den Verletzungen, die erfahrungsgemäß bei einem Zusammenstoß mit einem Kraftfahrzeug entstehen können. Die Einhaltung eines seitlichen Mindestabstandes ist umso wichtiger, wenn - wie im vorliegenden Fall - auf dem Fahrrad zudem noch ein Kleinkind im Alter von fünf Jahren transportiert wird. Dann ist ein seitlicher Sicherheitsabstand von mindestens zwei Metern zum Radfahrer einzuhalten, was der Beklagten nach den örtlichen Gegebenheiten an der Unfallstelle auch möglich gewesen wäre. Ein geringerer Haftungsanteil als 1/5 zu Lasten des überholenden Pkw-Fahrers bei einem Zusammenstoß mit einem ein Kleinkind transportierenden Radfahrer, der unter Nichtbeachtung der Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 1 und 2 StVO nach links abbiegt, wäre nicht mehr vertretbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 97 und 92 ZPO. Wird die Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückgewiesen und verliert damit die Anschlussberufung gem. § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung, so fallen die Kosten des Berufungsverfahrens den Parteien im Verhältnis der Werte von Berufung und Anschlussberufung zur Last. Soweit die Berufung durch Beschluss nach 522 Abs. 2 ZPO einstimmig zurückgewiesen worden ist, hat die Beklagte die Kosten nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Im Umfang der Anschlussberufung hat die Klägerin die Kosten zu tragen, die aufgrund der einstimmigen Zurückweisung der Berufung keinen Erfolg mehr haben kann. Der Senat schließt sich insoweit der überwiegenden Auffassung der OLG an, wonach anders als bei der Rücknahme der Hauptberufung, die auch nach neuem Zivilprozessrecht dazu führt, dass der Berufungskläger die Kosten der Anschließung zu tragen hat, die Kosten der Anschlussberufung im Fall der Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO dem Berufungskläger nicht aufzuerlegen sind, weil in diesem Fall der Bestand der Anschlussberufung nicht vom Willen des Berufungsklägers abhängt (OLG Düsseldorf v. 28.10.2002 - 24 U 81/02, MDR 2003, 288 = OLGReport Düsseldorf 2003, 50 = NJW 2003, 1260; OLG Brandenburg v. 7.7.2003 - 13 U 31/03, MDR 2003, 1261 = OLGReport Brandenburg 2003, 457; v. 1.4.2004 - 1 U 26/03, OLGReport Brandenburg 2004, 308; OLG Celle v. 16.10.2002 - 2 U 110/02, OLGReport Celle 2003, 218 = NJW 2003, 2755; OLG Dresden BauR 2003, 1431; OLG München v. 27.7.2004 - 17 U 2042/04, OLGReport München 2004, 456; OLG Celle v. 10.1.2005 - 4 U 225/04, MDR 2005, 1017 = OLGReport Celle 2005, 119; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, § 524 Rz. 53; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 524 Rz. 22; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, § 524 Rz. 44).
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 S. 1, 72 Nr. 1 GKG, 2, 3 ZPO. Dabei entfallen von dem Gesamtstreitwert i.H.v. 5.715,79 EUR auf die Berufung 3.429,47 EUR und auf die Anschlussberufung 2.286,32 EUR.
Fundstellen
VRS 2005, 327 |
VersR 2005, 1601 |
SVR 2009, 294 |
OLG-NL 2005, 262 |
OLGR-Ost 2006, 75 |