Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrfache Rechtswahl für den Kindesnamen gem. Art. 10 Abs. 3 EGBGB
Leitsatz (amtlich)
1. Die in Art. 10 Abs. 2 Satz 3 EGBGB geregelte Verweisung auf § 1617c BGB setzt die Anwendbar-keit deutschen Rechts für den Geburtsnamen des Kindes voraus.
2. Haben die seinerzeit nicht verheirateten Eltern nach der Geburt ihres Kindes eine Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB getroffen und dabei den Geburtsnamen des Kindes nach dem ausländischen Recht eines Staates bestimmt, dem ein Elternteil angehört, so können sie nach ihrer späteren Eheschließung und einer hierbei gemäß Art. 10 Abs. 2 EGBGB getroffenen Wahl des deutschen Rechts sowie der hierauf beruhenden Bestimmung eines gemeinsamen Familiennamens gemäß § 1355 Abs. 1 Satz 1 BGB durch die Wahl des deutschen Rechts für den Familiennamen des Kindes gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB in Anwendung des § 1617c I BGB die Erstreckung des Ehenamens auf den Geburtsnamen des Kindes erreichen.
3. Für die Frage, ob nach einer gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB getroffenen Rechtswahl die in § 1617c Abs. 1 BGB reglementierte Altersgrenze für das Erfordernis einer Anschlusserklärung des Kindes erreicht ist, kommt es auf den Zeitpunkt der Rechtswahl an, wenn diese erst nach Bestimmung des Ehenamens vorgenommen wird.
Normenkette
BGB § 1617c Abs. 1; EGBGB Art. 10 Abs. 2 S. 3, Abs. 3; PStG § 49 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Beschluss vom 16.07.2021; Aktenzeichen 4 UR III 42/19) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 wird der Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 16.07.2021 aufgehoben soweit das Standesamt ... angewiesen wurde, die Eintragung des Geburtenregisters Nr. .../2013 des Standesamtes ... - infolge der Ausübung der Rechtswahl zum deutschen Recht sowie nach entsprechender Namensbestimmung dahingehend zu ändern, dass das Kind ... ..., geboren am ..., den Geburtsnamen "..." führt. Insoweit wird der Antrag der Antragsteller zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beschwerdeführer zurückgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
4. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin zu 1 ist deutsche Staatsangehörige und die leibliche Mutter des am ... geborenen Betroffenen. Da die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt unverheiratet war, erhielt ihr am ... geborener betroffener Sohn zunächst den Geburtsnamen der Mutter "..." (Geburtsurkunde, Anlage 1, BI. 7 d.A.), der am ... unter der Nummer ... in das Geburtenregister des Standesamtes der ... eingetragen wurde.
Der Antragsteller zu 2 ist französischer Staatsangehöriger und der leibliche Vater des betroffenen Kindes. Die Vaterschaft hat er vor dem Standesamt am ... anerkannt.
Die Antragsteller wählten am ... gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB für die Namensgebung des Kindes gemeinsam das französische Heimatrecht des Antragstellers zu 2 und gaben dem Kind als dessen Geburtsnamen den Doppelnamen "...". Dabei wurden sie von der Standesbeamtin darüber informiert, dass die Wahl zum französischen Recht nur einmal möglich sei und nicht widerrufen werden könne (Anlage A3, BI. 9 d.A.).
Am ... heirateten die Antragsteller vor dem Standesamt ... und bestimmten nach deutschem Recht den Geburtsnamen des Antragstellers zu 2 "..." zum Ehe- und Familiennamen (Anlage A4, BI. 10 d.A).
Am 04.10.2018 sprachen die Antragsteller beim Standesbeamten der ... dem Beteiligten zu 3, vor, um eine Änderung des Geburtsnamens des Kindes herbeizuführen. Ihr Kind sollte künftig in Anwendung deutschen Rechts mit Nachnamen nur noch "...", wie die Eltern, heißen. Dies lehnte die zuständige Standesbeamtin zunächst mündlich ab. Auf schriftlichen Antrag der Antragstellervertreter vom 11.02.2019 erließ das Standesamt am 27.02.2019 einen ablehnenden Bescheid mit der Begründung, dass Art. 10 Abs. 3 EGBGB eine erneute Rechtswahl nicht zulasse (Anlage A5, BI. 11 d.A).
Gegen diesen den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 01.03.2019 zugegangenen Bescheid richtet sich der am 28.03.2019 bei dem Amtsgericht Stuttgart eingegangene, auf § 49 PStG gestützte Antrag der Antragsteller, das Standesamt anzuweisen, hinsichtlich des Geburtsnamens des Kindes ... ... eine erneute Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts zuzulassen und die Eintragung im Geburtenregister Nr. .../2013 dahingehend zu ändern, dass das Kind ... ..., geb. am 08.09.2013 den Geburtsnamen ... führe.
Sie sind der Auffassung, der Verbrauch jeglichen Wahlrechts nach einmal getroffener Rechtswahl lasse sich aus Art. 10 Abs. 3 EGBGB nicht herleiten. Zumindest sei mit dem Oberlandesgericht Frankfurt (Beschluss vom 06. September 2007 - 20 W 19/07) eine erneute Rechtswahl zur Änderung oder Anpassung der Namensführung des Kindes dann zuzulassen, wenn dies nach Sinn und Zweck der Rechtswahlbefugnis geboten erscheine. Dies sei bei Eheschließung und Bestimmung eines Ehe- und Familiennamens der Fall. Denn mit der Wahl eines gemeinsamen Ehenamens werde das Anliegen der Eltern bekundet, diesen Ehenamen auch den...