Leitsatz (amtlich)
›Die verfassungskonforme Anwendung des § 24 a Abs. 2 StVG gebietet keine Feststellungen zur Wirkung einer Substanz im Sinne einer konkreten Beeinträchtigung, sondern den qualifizierten Nachweis der erfassten Substanzen als einschränkende objektive Voraussetzung der Ahndbarkeit gemäß § 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG (anknüpfend an BVerfG Beschluss - 1 BvR 2652/03 - 21.12.2004 - abgedruckt in NJW 2005, 349).‹
Verfahrensgang
AG Kusel (Urteil vom 06.01.2005; Aktenzeichen 6071 Js 14210/04) |
StA Kaiserslautern |
Gründe
Das Amtsgericht Kusel hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung eines berauschenden Mittels eine Geldbuße von 250 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts.
Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil hält sowohl im Schuldspruch als auch in der Rechtsfolgenbestimmung rechtlicher Nachprüfung stand.
Die getroffenen Feststellungen bieten eine ausreichende Grundlage für die erfolgte Verurteilung, insbesondere waren Feststellungen zu konkreten Auswirkungen des Betäubungsmittelkonsums nicht erforderlich. Das objektive Tatbestandsmerkmal des § 24 a Abs. 2 StVG "unter der Wirkung" erfordert keine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit. Es ist vielmehr dann gegeben, wenn eine der Substanzen der Anlage 2 im Blut nachgewiesen ist (BayOLG, NZV 2004, 267, 268; Saarländisches OLG, VRS 102, 120; Janiszewski/Jagow/Kurmann, StVR, 18. Aufl., § 24 a StVG Rdn. 5; Hentschel, StrVR, 38. Aufl., § 24 a StVG Rdn. 21, 24 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat mit § 24 a Abs. 2 StVG einen Gefährdungstatbestand geschaffen, der ein generelles Verbot ausspricht und anders als § 24 a Abs. 1 StVG nicht an einen qualifizierten Grenzwert anknüpft. Dem lag die Erkenntnis zugrunde, dass der Stand der Wissenschaft bei den einzelnen Betäubungsmitteln im Gegensatz zum Alkohol die Feststellung einer Beziehung zwischen Dosis und Wirkung nicht zulässt (BT-Drucks. 13/3764, 5; Stein, NZV 1999, 441, 446). Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Wirkungs- und Nachweisdauer der in der Anlage zu § 24 a Abs. 2 StVG genannten Mittel übereinstimmen, weil die entsprechenden Substanzen im Blut nur wenige Stunden nachgewiesen werden konnten und daher eine Aussage über den erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Einnahme und Blutentnahme gestatteten (BT-Drucks. 13/3764, 5). Entsprechend dieser Vorgabe wurde die allgemein als verfassungsgemäß angesehene Vorschrift dahingehend ausgelegt, dass jeder zuverlässige blutanalytische Nachweis einer der erfassten Substanzen unabhängig von der Höhe der Blut-Wirkstoff-Konzentration ausreicht (BayOLG, NZV 2004, 267, 268; Senat, DAR 2002, 135). Durch verbesserte Messmethoden ist inzwischen aber der Nachweis von geringsten Spuren von Wirkstoffkonzentrationen im Blut möglich, die auf einen zeitlich länger zurückliegenden Konsum zurückgehen können (Bönke, BA 2004 Supplement 1 S. 6). Danach kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass Nachweis- und Wirkungsdauer wie vom Gesetzgeber angenommen in jedem Fall identisch sind (Berghaus, BA 2002 321, 327). Eine verfassungskonforme Anwendung erfordert daher, dass eine Wirkung im Sinne des § 24 a Abs. 2 Satz 1 StVG nur angenommen werden kann, wenn die betreffende Substanz in einer Konzentration nachweisbar ist, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt und damit die in § 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG aufgestellte gesetzliche Vermutung rechtfertigt (BVerfG, NJW 2005, 349; zum Ganzen Schreiber, NJW 2005, 1026). Dies ist dann der Fall, wenn zumindest der in der Empfehlung der Grenzwertkommission vom 20. November 2002 (abgedruckt in BA 2005, 160) empfohlene Nachweisgrenzwert erreicht ist, der für THC (Cannabis) derzeit bei 1 ng/ml liegt (Hentschel, NJW 2005, 641, 646). Auch wenn teilweise höhere THC-Konzentrationen gefordert werden (Krüger, BA 2002, 337, 344). Ist ab diesen wissenschaftlich gesicherten Analysewerten der enge zeitliche Nachweis _ Wirkungszusammenhang gegeben, der die erforderliche Möglichkeit der Beeinträchtigung der Fahrsicherheit eröffnet und die Anknüpfung einer Sanktion an den Gefährdungstatbestand des § 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG rechtfertigt (BayOLG, NJW 2003, 1681; Janizewski/Jagow/Burmann, StVR, § 24 a StVG Rdn. 5).
Dabei handelt es sich aber nicht um einen Gefahrengrenzwert oder einen feststehenden Wert, ab dem die Leistungsfähigkeit gemindert ist, sondern um einen vom wissenschaftlichen Fortschritt abhängigen, pharmakodynamischen und rein analytischen Grenzwert (Bönke, aaO.; zum Ganzen Maatz, BA 2004 Supplement 1, S. 9 ff.; zu pharmakokinetischen Einflüssen und psychogenen Wirkungen Schreiber, aaO.). Anknüpfungspunkt ist daher nicht § 24 a Abs. 2 Satz 1 StVG, der die abschließende Beschreibung des Bußgeldtatbestandes enthält, sondern die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG, die die vom Vorsatz des Täters unabhä...