Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz

 

Verfahrensgang

LG Zweibrücken (Urteil vom 24.03.1972; Aktenzeichen 2 O 226/71)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 24. März 1972 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Matrizenstanzerin R. T. ist seit 1965 bei der Klägerin beschäftigt. Am 1. Dezember 1970 stürzte sie auf dem Weg von der Arbeitsstelle zu ihrer Wohnung auf der H. in P. vor dem Anwesen der Metzgerei K. wegen einer Unebenheit des Bürgersteigs – eine Gehwegplatte hatte sich gehoben – und verletzte sich am Knie. Sie wurde ärztlich behandelt und war bis zum 27. Dezember 1970 arbeitsunfähig. Auf Grund des Lohnfortzahlungsgesetzes zahlte die Klägerin für die Zeit vom 3. Dezember bis 27. Dezember 1970 500,11 DM brutto an Frau T. und 65,73 DM anteilige Sozialversicherungsbeiträge an die zuständigen Sozialversicherungsträger. Frau T. trat ihren Schadensersatzanspruch an die Klägerin ab. Diese machte den Anspruch in Höhe ihrer Aufwendungen bei dem Haftpflicht Versicherer der Beklagten geltend, der die Regulierung durch Schreiben vom 28. Januar 1971 ablehnte. Die Klägerin arbeitet mit Bankkredit zu 12 % Zinsen.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin den Anspruch aus dem Unfall vom 1. Dezember 1970 weiter. Sie hat vorgetragen: Bei der H. handelte es sich um eine Zugangsstraße zur W. Straße, die sehr stark frequentiert sei, besonders wenn in den Fabriken Arbeitsschluß sei. Der Gehweg sei an der Unfallstelle stark beschädigt gewesen und deshalb auch in der Zeit vom 16. bis 22. Dezember 1970 instand gesetzt worden. Der Anspruch werde in erster Linie auf § 823 BGB gestützt. Die Beklagte habe schuldhaft die Verkehrssicherungspflicht verletzt. Es bestünden Bedenken, in diesem Falle § 839 BGB in Verbindung mit § 48 Abs. 2 Landesstraßengesetz Rheinland-Pfalz anzuwenden. Im übrigen verstießen diese Vorschriften hinsichtlich des „Fiskusprivilegs” gegen Art. 3 GG. Die Beklagte werde dadurch besser gestellt als jeder andere Schädiger. Die Leistungen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz seien keine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB; es handelte sich um rein fürsorgerische Leistungen, die an die Stelle der Leistungen des öffentlichen Versicherungsträgers getreten seien. Durch die Anwendung von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB würde der Haftpflicht Versicherer der Beklagten einen nicht gerechtfertigten Vorteil erlangen; die Berufung des Haftpflichtversicherers auf diese Vorschrift sei arglistig und verstöße gegen Treu und Glauben. Auch würde der Arbeitgeber unbillig belastet werden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 565,84 DM nebst 12 % Zinsen seit 12. Januar 1971 zu zahlen,

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen: Bei der H. handele es sich um eine unbedeutende Seitenstraße ohne Schaufensterauslagen und ohne starken Verkehr; die Straße sei gut ausgeleuchtet. Der Gehweg habe keinerlei Beschädigungen aufgewiesen mit Ausnahme einer Platte die sich infolge von Witterungseinflüssen geringfügig gehoben habe. Der Unfall sei somit auf die eigene Unachtsamkeit von Frau T. zurückzuführen. Im übrigen sei die Verkehrssicherungspflicht auf öffentlichen Straßen nach § 48 Landesstraßengesetz eine Amtspflicht, so daß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB anzuwenden sei. Ihr, der Beklagten, könne allenfalls Fahrlässigkeit angelastet werden. Frau T. habe auf Grund des Lohnfortzahlungsgesetzes anderweitig Ersatz erlangt, so daß ihr kein Anspruch gegen sie, die Beklagte, zugestanden habe, und deshalb auch kein Anspruch auf die Klägerin übergegangen sei.

Durch Urteil vom 24. März 1972 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt durch das zweite Gesetz zur Änderung des Landesstrassengesetzes von Rheinland-Pfalz vom 22. April 1970 sei die Verkehrssicherungspflicht auf die damit befaßten Körperschaften als Amtspflicht in Ausübung öffentlicher Gewalt übertragen worden. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 839 BGB bestünden nicht. Da nach Lage des Falles allenfalls Fahrlässigkeit der Bediensteten der Beklagten in Betracht komme, hätte die Geschädigte die Beklagte nicht in Anspruch nehmen können, da sie anderweitig, nämlich durch die Klägerin selbst, Ersatz erlangt habe. Die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 gelte auch für Leistungen nach dem Lohnfortzahlungsgesetz.

Gegen dieses am 21. April 1972 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. Mai 1972 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel am 12. Juli 1972 innerhalb gewährter Fristverlängerung begründet.

Die Klägerin wiederholt im wesentlichen ihren Vortrag aus der ersten Instanz und beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 565,84 DM nebst 12 % Zinsen seit 12. Januar 1971 zu zahlen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

di...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge