Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 14
Anknüpfungspunkt für die Verhängung von Ordnungsmitteln ist eine Zuwiderhandlung gegen die im Titel aufgeführte Unterlassungs- oder Duldungspflicht (Gegenbsp etwa OVG Hamburg 7.7.16 – 5 So 110/15 und LAG SchlH 23.6.16 – 1 Ta 68/16), s zu deren Auslegung bereits oben. An einer Zuwiderhandlung fehlt es bspw, wenn ein Unterlassungstitel gegen das Angebot ›gefälschter‹ Waren gerichtet ist und der Schuldner das erneute Angebot mit ›nicht erschöpfter‹ Ware erfüllen könnte (Frankf WRP 18, 1114 [OLG Frankfurt am Main 30.05.2018 - 6 W 33/18], Rz 6). Dabei obliegt regelmäßig dem Schuldner die Auswahl, auf welche Art und Weise er seine Unterlassungspflicht erfüllt; wenn eine Art sich als nicht möglich erweist, ist er dazu verpflichtet, andere Möglichkeiten auszuschöpfen, um seiner Unterlassungsverpflichtung nachzukommen (LG Itzehoe 26.1.21 – 11 T 22/20, Rz 9). Unerheblich ist, ob das beanstandete Verhalten des Schuldners isoliert betrachtet wettbewerbswidrig ist und der Gläubiger gegen den Schuldner aus diesem Grunde im Erkenntnisverfahren einen weiteren Titel erwirken könnte (LG Berlin 26.1.21 – 102 O 23/19, Rz 31). Die Zuwiderhandlung muss grds vom Titelschuldner selbst herrühren. Handelt es sich beim Schuldner um eine juristische Person, Handelsgesellschaft etc, ist ein Verstoß des gesetzlichen Vertreters bzw Organs erforderlich (Hamm WRP 79, 802). Wenn gegen einen gegen die juristische Person und gegen deren Organ inhaltsgleich ergangenen Unterlassungstitel nur die juristische Person einen Rechtsbehelf einlegt, daraufhin ihr gegenüber der Titel wegen Fehlens einer rechtswidrigen Verletzungshandlung aufgehoben wird, dann kann gegen das Organ kein Ordnungsmittel verhängt werden, wenn es nach der Aufhebung des gegen die juristische Person ergangenen Titels die angegriffene Handlung ausschließlich in Ausübung seiner Organstellung für diese juristische Person wieder aufnimmt (Hambg 17.7.23 – 15 W 13/23, WRP 23, 1125, Rz 9 u Ls). Das Verhalten sonstiger Angestellter oder Beauftragter kann hingegen nicht zugerechnet werden (ThoPu/Seiler Rz 12).
Rn 14a
Grds muss wegen des strafähnlichen Charakters der Gläubiger den Vollbeweis der (schuldhaften) Zuwiderhandlung erbringen, doch ist gleichwohl der Anscheinsbeweis zulässig (VG Frankfurt/O. 14.9.20 – 5 M 17/20, Rz 18). Den Schuldner trifft eine sekundäre Darlegungslast, wenn nach dem äußerlichen Bild das untersagte Verhalten fortgesetzt wird und damit der Tatbestand eines Verstoßes erfüllt zu sein scheint; er muss dann aufzeigen, wie er nun vorgeht, und ggf auch aufzeigen, was er bislang zur Befolgung des Unterlassungsgebots unternommen hat (Nürnbg 17.6.22 – 3 W 4186/21 Ls, GRUR 22, 1700).
Rn 15
Der Verstoß durch Dritte rechtfertigt Maßnahmen nach § 890, wenn der Schuldner verpflichtet gewesen wäre, deren verbotswidriges Verhalten zu unterbinden und seine Untätigkeit für den Verstoß gegen das Unterlassungsgebot ursächlich war. Erforderlich ist, dass der Schuldner Kenntnis von dem vom Dritten veranlassten Störungszustand hat und mit einem titelverletzenden Verhalten ernstlich rechnen musste (Frankf GRUR-RR 18, 223, Rz 7). Es obliegt dem Schuldner, sich zu entlasten (Kobl WRP 19, 789, Rz 10). §§ 278, 831 BGB und § 8 II UWG sind nicht anwendbar (LG Berlin 26.1.21 – 102 O 23/19, Rz 39). Eine Pflicht zur aktiven Einwirkung auf Dritte kommt im wirtschaftlich relevanten Bereich vielmehr dann in Betracht, wenn das Handeln des Dritten dem Schuldner wirtschaftlich zugutekommt, wenn er mit (weiteren) Verstößen ernstlich rechnen muss (KG 17.5.21 – 5 W 56/21, Rz 20; BGH GRUR 17, 208 [BGH 29.09.2016 - I ZB 34/15], Rz 30; GRUR 17, 823 [BGH 04.05.2017 - I ZR 208/15], Rz 29; GRUR 18, 1183, Rz 19 m krit Anm Hager NJW 19, 58; Kobl WRP 19, 789 [OLG Frankfurt am Main 12.02.2019 - 11 U 156/17], Rz 7; Frankf WRP 21, 76, 77, Rz 12) und wenn der Schuldner rechtliche oder tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten des Dritten hat (BGH GRUR 18, 1183 [BGH 12.07.2018 - I ZB 86/17], Rz 11; KG 17.5.21 – 5 W 56/21, Rz 20). Besteht eine solche Pflicht zur aktiven Einwirkung auf Dritte, so muss der Schuldner etwa seine Mitarbeiter nicht nur über den Inhalt des Titels informieren und zu entsprechendem Verhalten auffordern, sondern auf die Nachteile aus einem Verstoß sowohl hinsichtlich des Dienstverhältnisses als auch der Zwangsvollstreckung deutlich hinweisen, Rückmeldungen anordnen und kontrollieren sowie Sanktionen für die Nichteinhaltung der Anordnung androhen (BGH GRUR 13, 1067, Rz 18; KG WRP 19, 1483, Rz 8 f; KG 17.5.21 – 5 W 56/21, Rz 21); er muss schriftlich über das bestehende Verbot informieren und dem Dritten vor Augen führen, wie das Unterlassungsgebot einzuhalten ist (LG Dortmund 22.5.22 – 10 O 45/18, Rz 11); eine angedrohte Kündigung muss etwaig auch verhängt werden (BGH GRUR 13, 1067 [BGH 24.01.2013 - I ZR 174/11], Rz 18; KG 17.5.21 – 5 W 56/21, Rz 21).
Rn 15a
Hat eine Handlung einen fortdauernden Störungszustand geschaffen, ist der die Handlung verbietende Unterlassungstitel regelmä...