Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung eines "anderen Straßenteils" i.S.v. § 10 Abs. 1 StVO von einer dem fließenden Verkehr gewidmeten Straße.
Normenkette
StVG §§ 7, 17; StVO § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 31.10.2013; Aktenzeichen 4 O 356/12) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 31.10.2013 verkündete Urteil des LG Saarbrücken (4 O 356/12) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
"1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.651,34 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.7.2012 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 273,34 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2012 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin und die Beklagten als Gesamtschuldner jeweils zu 50 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 4.5.2012 in S. ereignete und an dem die Klägerin mit ihrem Pkw Nissan (amtl. Kennz:...-...-...) sowie die Beklagte zu 1) mit ihrem Pkw BMW (amtl. Kennz.:...-X-...) beteiligt waren.
Gestützt auf die Lichtbilder (Bl. 5d. BA des Landesverwaltungsamts Az.: 320003889) hat die Klägerin die Meinung vertreten, dass die Beklagte zu 1) das sich aus der Regel "rechts vor links" ergebende Vorfahrtsrecht der Klägerin verletzt habe. Die von der Klägerin benutzte Einmündung, die zu den Anwesen N. 1 und 2 führe, sei gewidmet und sei auch straßenmäßig ausgebaut, so dass es sich nicht um eine Grundstücksausfahrt, sondern um eine ausgebaute Straße handle. Auch die Straßenverkehrsbehörde sei davon ausgegangen, dass der Klägerin das Vorfahrtsrecht zugestanden habe.
Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, habe sie, die Klägerin, alles getan, um einen Unfall zu vermeiden. Sie sei vorsichtig an die Einmündung herangefahren und habe sich in die Fahrbahn hineingetastet. Da ihre Sicht nach links durch eine damals nicht zurückgeschnittene Hecke behindert gewesen sei, sei sie, die Klägerin, schrittweise in die kreuzende Fahrbahn hineingefahren, während die Beklagte zu 1) mit überhöhter Geschwindigkeit an die Unfallstelle herangefahren sei. Zudem habe die Beklagte zu 1) an der Unfallstelle eingeräumt, dass sie noch beschleunigt habe. Die Beklagte zu 1) habe sich auch nicht auf ein ihr vermeintlich zustehendes Vorfahrtsrecht verlassen dürfen.
Ihr, der Klägerin, seien folgende Schäden entstanden:
Reparaturkosten netto laut Gutachten 4.451,42 EUR
Sachverständigenkosten laut Rechnung (Bl. 25 d.A.) 825,27 EUR
Unkostenpauschale 26 EUR
Summe: 5.302,69 EUR
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 5.302,69 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.7.2012 zu zahlen,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 546,69 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.11.2012 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, die Klägerin sei aus einer Grundstücksausfahrt in die N.-straße eingefahren, weshalb die Klägerin auch das Vorfahrtsrecht der Beklagten zu 1) hätte beachten müssen. Der von der Klägerin befahrene Weg ermögliche keinen Durchgangsverkehr, die geteerte Fläche führe lediglich zu 2 Gebäuden und zugehörigen Parkplätzen. Der Bereich sei nicht als Straße gewidmet und führe denselben Namen wie die von der Beklagten zu 1) befahrene Straße. Auch die Gestaltung des Einmündungsbereichs widerspreche der Bejahung des Charakters einer Straße.
Die Klägerin sei auch nicht vorsichtig in den Einmündungsbereich hineingefahren, sondern sei, ohne anzuhalten, aus dem Einfahrtsbereich in die Straße eingefahren. Dort habe die Klägerin das Fahrzeug der Beklagten zu 1) im Bereich der linken hinteren Tür in deren Übergang zum Radkasten getroffen.
Die Sachverständigenkosten seien hinsichtlich der abgerechneten Nebenkosten überhöht. Auch die Üblichkeit des abgerechneten Grundhonorars werde bestritten.
Mit dem am 31.10.2013 verkündeten Urteil (Bl. 181 d.A.) hat das LG - nach Beweisaufnahme durch Einnahme des Augenscheins von der Unfallörtlichkeit (Bl. 115 d.A.) sowie Einholung eines schriftlichen verkehrstechnischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. P. P. vom 11.6.2013 (Bl. 133 d.A.) nebst ergänzender mündlicher Anhörung vom 30.9.2013 (Bl. 177 d.A.) - die Klage abgewiesen.
Der Senat nimmt gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin in dem Umfang Berufung eingelegt, in dem ihr PKH bewilligt wurde (Bl. 229 d.A.).
Die Klägerin i...