Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Beweismaß der Unfallursächlichkeit eines Bandscheibenschadens im Verkehrshaftpflichtprozess
Leitsatz (amtlich)
Selbst wenn ein Unfallereignis grundsätzlich geeignet ist, aktuelle Bandscheibenbeschwerden hervorzurufen, ist auch unter den erleichterten Voraussetzungen des § 287 ZPO der Beweis für die Unfallursächlichkeit des Bandscheibenschadens nicht erbracht, wenn die durch das Unfallereignis hervorgerufenen Irritationen einer vorhandenen degenerativen Veränderung nach den empirischen Erfahrungen des medizinischen Sachverständigen im Regelfall innerhalb weniger Wochen abklingen und der Sachverständige eine nachvollziehbare Ersatzursache benennt, weshalb der Geschädigte fortdauernd unter Beschwerden leidet.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 02.04.2004; Aktenzeichen 6 O 365/02) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - das Urteil des LG Saarbrücken vom 2.4.2004 - 6 O 365/02 - mit der Maßgabe abgeändert, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt werden, an den Kläger über die titulierte Forderung hinaus ein weiteres Schmerzensgeld i.H.v. 4.250 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 2.10.2002 zu zahlen.
2. Der Kläger trägt 33 %, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 67 % der Kosten des ersten Rechtszugs. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.250 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Am 2.10.2000 fuhr der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw auf das stehende Fahrzeug des Klägers auf, der in leicht nach vorne geneigter Position in seitlicher Drehung auf dem Fahrersitz saß. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit.
Für den Berufungsrechtszug ist lediglich der Schmerzensgeldanspruch von Relevanz. Inzwischen steht außer Streit, dass der Kläger eine HWS-Distorsion erlitt. Unmittelbar nach dem Unfall begab sich der Kläger in ärztliche Behandlung und unterzog sich Massagen und krankengymnastischen Behandlungen. Im Zeitraum vom 2.10.2000 bis 20.2.2001 war der Kläger zu 100 % arbeitsunfähig. In der Zeit vom 30.1.2001 bis zum 20.2.2001 hielt sich der Kläger stationär in der B. Klinik in L. auf.
Der Kläger hat behauptet, er leide infolge der HWS-Distorsion unter starken Kopfschmerzen und einem dauerhaften Schwindelgefühl. Im linken kleinen Finger herrsche nach wie vor Taubheitsgefühl. Der Kläger habe hierüber keine Gewalt. Darüber hinaus habe sich im Bereich der Wirbelsegmente C 5 und C 6 ein Bandscheibenschaden eingestellt; in den Bereichen C 3 und C 4 lägen Blockierungen vor. Unfallbedingt leide der Kläger unter einer Osteochondrose. Der Behandlungsverlauf stelle sich als erheblich verzögert dar. Nachts schlafe der Arm immer wieder ein. Es liege ein Kribbelgefühl vom Arm bis in die Finger vor. Nachts wache der Kläger infolge dieser Beschwerden auf und könne dann häufig nicht mehr durchschlafen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zum Ausgleich dieser körperlichen Beeinträchtigungen sei unter Berücksichtigung der unstreitigen Zahlung von 1.750 EUR ein Schmerzensgeld von insgesamt 10.000 EUR gerechtfertigt.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch an den Kläger 763,25 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über den Basiszinssatz seit dem 13.4.2001 zu zahlen;
2. die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, nicht jedoch unter 10.000 EUR abzgl. bereits gezahlter 1.750 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 2.10.2002 zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche zukünftige materiellen und immateriellen Schäden zu bezahlen, soweit diese aus dem Verkehrsunfallereignis vom 2.10.2000 gegen 17 Uhr in M. zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) resultieren und soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen sind.
Dem sind die Beklagten entgegengetreten. Die Beklagten haben bestritten, dass der in der CT-Aufnahme vom 31.1.2002 beschriebene Bandscheibenvorfall auf das Unfallereignis zurückzuführen sei. Die Gefühlsstörungen der linken Hand beruhten auf einem sog. Sulcus-nervi-ulnaris-Syndrom. Der Schwindel hätte, wenn dieser tatsächlich Folge des Unfalls gewesen sei, spätestens ein Jahr nach dem Unfall nicht mehr vorliegen dürfen. Auch die beschriebenen HWS-Blockaden könnten zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr als unfallbedingt angesehen werden. Bei dieser Sachlage bestehe kein Dauerschaden.
Das LG hat der Klage hinsichtlich des Feststellungsantrags und hinsichtlich der materiellen Schadensersatzansprüche in Höhe eines Betr...