Leitsatz (amtlich)
1. Bei Unfällen auf einem Fährentransport gilt aufgrund des Transportvertrages der Beteiligten die Beweislastverteilung des § 280 BGB.
2. Zuschlag von 10% auf das Schmerzensgeld wegen bewusst unrichtigen Sachvortrages
Verfahrensgang
LG Lübeck (Entscheidung vom 25.01.2012; Aktenzeichen 4 O 163/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 25. Januar 2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck geändert und wie folgt neu gefasst:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.651,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%- Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. November 2011 auf 2.151,10 EUR zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jedweden weiteren materiellen oder immateriellen künftigen Schaden, der aus Anlass des Unfalls vom 29. März 2011 auf der Priwallfähre entstanden ist, zu ersetzen, soweit kein gesetzlicher Forderungsübergang auf Dritte besteht.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Berufungsstreitwert: 8.329 EUR
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Unfall auf deren Fähre Anspruch.
Der Kläger befand sich am 29. März 2011 mit seinem Motorrad auf dem Heimweg von seinem Schichtdienst bei der Feuerwehr. Gegen 06:55 Uhr wollte er die Trave mit der Priwallfähre "Travemünde" überqueren, um nach Hause (Wohnung auf dem Priwall) zu gelangen. Als er, der Anweisung des Personals folgend, auf der Fähre von der mittleren auf die linke Spur wechseln wollte, um nach vorn zu fahren, brach das Hinterrad nach links aus. Der Kläger stürzte. Die Ursache des Unfalls ist streitig.
Der 1973 geborene Kläger erlitt durch den Sturz auf die linke Schulter eine Schultereckgelenkssprengung mit Abriss von Bändern (AC-Gelenksprengung [Rockwood III Tossy III] links), die eine Operation und mehrwöchige Nachbehandlung erforderlich machte. Der Kläger war bis zum 17. September 2011 arbeitsunfähig. Das Motorrad wurde beschädigt.
Die Fähre war gerade zur Überholung in der Werft gewesen und hatte - nunmehr unstreitig - u.a. einen neuen DIN-gerechten Anstrich des Fahrbahndecks (mit Einstreuung von Quarzsand, Körnung nicht größer als 0,2-0,7mm) erhalten. Dieser war zum Unfallzeitpunkt nach den Feststellungen der Polizei durch Nässe, obwohl es nicht geregnet hatte, sehr rutschig (Bl. 5 Ermittlungsakte 750 Js 17658/11A StA Lübeck).
Das auf Anforderung im 2. Rechtszug - auszugsweise - vorgelegte Dienstbuch (Zeitraum 25.3.-16.04.11) der Fähren weist für den Vortag des Unfalls (28.03.201 1) folgenden Eintrag für die "Travemünde" (Tra) aus:
"Deck bei Regen oder Tau sehr glatt!!! Unfallgefahr"
Die Beklagte ließ das Fahrbahndeck nachfolgend im April 2011 mit einem neuen Anstrich unter Verwendung einer Schlackeeinstreuung mit einer Körnung von (nun) 2,0 mm versehen.
Der Kläger hat behauptet:
Die Beklagte habe die Fähre mit ungeeignetem Bodenbelag auf dem Fahrbahndeck betrieben. Sein Heilungsverlauf sei sehr langwierig. Es sei mit Dauerschäden und Beeinträchtigungen zu rechnen.
Der Kläger hat seinen - zur Höhe streitigen - Schaden wie folgt beziffert (Klaganträge 1., 3., 4.):
1. Schmerzensgeld in angemessener Höhe von 5.000,00
3. Sachschaden (Motorrad gem. Kostenangebot) netto 1.199,87
Unkostenpauschale 20,00
c) Entgang. Verdienst aus Nebentätigkeit (April/Mai 2011) 2x100 200,00
1.419,87
4. Verdienstausfall wegen entfallender Überstunden/Nachtschichten pp
a) Nachtschichten: 328h= 419,85 EUR (steuerfrei)
b) Sonntagsdienste: 166h= 489,70 EUR (steuerfrei)
c) Dienste an Samstagen u. Vorfesttagen: 61,51 EUR 909,54
61,51
Der Kläger hat beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, zu zahlen;
2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, jedweden weiteren materiellen oder auch immateriellen Schaden, der aus Anlass des Unfalles vom 29. März 2011 entstanden ist, zu ersetzen;
3.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.419,87 EUR nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
4.
die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 909,54 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und 61,51 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
Sie hat behauptet, ein rutschiger Belag sei nicht unfallursächlich gewesen. Es sei möglich, dass der Kläger infolge Übermüdung zu viel Gas gegeben habe und deshalb gestürzt sei. Im Bereich von Gewässern sei immer mit einer Feuchtigkeit durch thermische Einflüsse zu rechnen.
Das Landgericht hat die der Beklagten am 7. September 2011 zugestellte Klage abgewiesen, weil der Kläger eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten nicht hinreichend schlüssig dargetan und unter Beweis gestellt habe.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Zahlungs- und Feststellungsbeg...