Verfahrensgang
LG Flensburg (Urteil vom 17.10.2000; Aktenzeichen 2 O 188/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 17.10.2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Flensburg teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
1. Der Kläger führte gegen den Beklagten W. einen Zahlungsprozess beim LG S., mit dem er Ansprüche aus Steuerberatertätigkeit und aus Erstattung von Personal- und Sachkosten aufgrund einer Bürogemeinschaft mit dem Beklagten W. geltend machte. Das LG S. wies die Klage durch Urt. v. 13.6.1995 – 23 O 149/95 – ab, weil der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung der Steuerberatervergütung nicht hinreichend substantiiert habe. Der Behauptung des Klägers über die vereinbarte Kostenerstattung fehle die nötige Substanz, so dass eine Zeugenvernehmung auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufe.
Der Kläger hat den beklagten Anwalt innerhalb der bis zum 28.8.1995 laufenden Berufungsfrist beauftragt, anhand des dem Beklagten übersandten Urteils die Erfolgsaussichten der Berufung und die Berechtigung einer Schadensersatzforderung gegen den erstinstanzlichen Anwalt zu überprüfen. Daraufhin wandte der Beklagte sich mit Schreiben vom 22.8.1995 an Rechtsanwalt R., den erstinstanzlichen Prozessanwalt des Klägers. Diesem warf der Beklagte vor, den Vorprozess durch grob fehlerhafte Prozessführung verloren zu haben. Wegen des unzureichenden Prozessvortrags als Ursache für den ungünstigen Prozessausgang machte der Beklagte für den Kläger Schadensersatzansprüche geltend. Zugleich wies er daraufhin, dass der Kläger keine Berufung einlegen werde, weil diese wegen der Bestimmung des § 528 ZPO kaum erfolgversprechend sei. Rechtsanwalt R. möge aber von sich aus prüfen, ob und inwieweit er eine Berufung für sinnvoll halte.
Rechtsanwalt R. reagierte auf das Schreiben vom 22.8.1995 nicht und legte keine Berufung ein. Deshalb nahm der Kläger Rechtsanwalt R. im Rechtsstreit 23 O 337/96 LG S. auf Schadensersatz in Anspruch. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme verurteilte das LG S. Rechtsanwalt R. durch Urt. v. 27.5.1997 zur Zahlung von 14.204,10 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 9.9.1995. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte überwiegend Erfolg. Das OLG N. wies durch Urt. v. 20.11.1997 – 4 U 1043/97 – die Klage bis auf einen Betrag von 790,95 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 9.9.1995 ab. Das OLG N. vermisste einen konkreten Vortrag des Klägers, welche genauen Sachinformationen er Rechtsanwalt R. erteilt habe und wie diese Informationen schriftsätzlich verwertet worden seien. Eine Stellungnahme zu den Erfolgsaussichten der Berufung sei von Rechtsanwalt R. nach Erhalt des Schreibens des Beklagten vom 22.8.1995 nicht mehr zu erwarten gewesen.
Der Kläger nimmt den Beklagten, dem er im beim OLG N. anhängigen Berufungsprozess den Streit verkündet hat, auf Schadensersatz wegen der abgewiesenen Ansprüche nebst Zinsen und auf Erstattung der Prozesskosten in Anspruch. Er wirft dem Beklagten vor, ihn unrichtig über die Aussichten einer Berufung beraten und Rechtsanwalt R. durch Schreiben vom 22.8.1995 veranlasst zu haben, dass dieser keine Berufung einlegte.
Zwischen den Parteien hat unstreitig ein Anwaltsvertrag bestanden. Wird ein Anwaltsvertrag vom Anwalt schlecht erfüllt und dadurch der Mandant geschädigt, kann eine Schadensersatzforderung aufgrund positiver Forderungsverletzung begründet sein.
2. Der Kläger hat den Beklagten während des Laufs der Berufungsfrist des Urteils des LG S. vom 13.6.1995 beauftragt, die Erfolgsaussichten einer Berufung und darüber hinaus etwaige Schadensersatzforderungen gegen Rechtsanwalt R. zu überprüfen. Beiden Parteien war bekannt, dass dem Beklagten die Gerichtsakte des Vorprozesses nicht zur Verfügung stand, sondern er innerhalb der kurzen noch zur Verfügung stehenden Zeit der Berufungsfrist seine Prüfungsaufgaben wahrnehmen sollte. Diese äußeren Bedingungen grenzten zwar die Erkenntnismöglichkeiten des Beklagten ein, machten aber dennoch eine gründliche Auseinandersetzung mit der rechtlichen Beurteilung des Urteils des LG S. und möglichen Erfolgsaussichten erforderlich.
Der um eine Beratung ersuchte Rechtsanwalt ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH zu einer umfassenden und erschöpfenden Belehrung des Mandanten verpflichtet, solange der Mandant die Beratung nicht eindeutig auf bestimmte Teilbereiche beschränkt. Der Anwalt muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt daraufhin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Mandanten erstrebten Erfolg herbeizuführen. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel führen können, und Nachteile für den Mandanten zu verhindern, soweit sie voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Mandanten den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann. Z...