Rz. 156
Ist über den Gegenstand, der der Einigung zugrunde liegt, ein gerichtliches Verfahren anhängig (ausgenommen ein selbstständiges Beweisverfahren oder ein darauf gerichtetes Prozesskostenhilfeverfahren), so reduziert sich die Einigungsgebühr nach VV 1003 auf 1,0 (Ausnahme wiederum VV 1004). Der Gegenstand muss nicht in dem Verfahren anhängig sein, in dem die Einigung geschlossen wird. Auch bei anderweitiger Anhängigkeit entsteht nur eine 1,0-Gebühr nach VV 1003.
Rz. 157
Das Verfahren vor dem Gerichtsvollzieher ab dem Vollstreckungsantrag, steht einem gerichtlichen Verfahren gleich (Anm. 1 S. 3 zu VV 1003).
Rz. 158
Ausreichend ist die Anhängigkeit, also der Eingang einer Klage oder Antragsschrift bei Gericht. Auf die Zustellung kommt es nicht an. Daher kann sich die Einigungsgebühr auch schon dann reduzieren, wenn dem Anwalt die Anhängigkeit der Forderung gar nicht bekannt war.
Beispiel: Der Anwalt reicht für seinen Mandanten eine Klage ein. Bevor der Gerichtskostenvorschuss gezahlt und die Klage zugestellt ist, wird eine Einigung geschlossen.
Für die Anwälte beider Parteien entsteht jeweils nur eine 1,0-Einigungsgebühr, da die Anhängigkeit bereits eingetreten war. Es kommt weder auf die Rechtshängigkeit noch auf die Kenntnis der Anhängigkeit an.
Rz. 159
Die Anhängigkeit muss zum Zeitpunkt der Einigung bestehen. Daher hindert eine frühere Anhängigkeit nicht den Anfall der 1,5-Einigungsgebühr nach VV 1000.
Beispiel: Der Anwalt reicht für seinen Mandanten eine Klage vor dem ArbG ein. Nach Hinweis des Gerichts, dass es sich um eine allgemeine Zivilsache handele, wird die Klage im Gütetermin zurückgenommen. Anschließend einigen sich die Parteien außergerichtlich.
Zum Zeitpunkt der Einigung war keine Anhängigkeit gegeben. Die frühere Anhängigkeit ist unbeachtlich. Die Einigungsgebühr richtet sich daher nach VV 1000 und beträgt 1,5.
Rz. 160
Ebenso wenig führt es zur Anwendung der VV 1000, wenn über den Gegenstand der Einigung bereits ein rechtskräftiger Titel vorliegt.
Beispiel: Die Parteien streiten darüber, ob die titulierte Forderung nachträglich durch Erfüllung erloschen ist. Zur Vermeidung einer Vollstreckungsgegenklage schließen die Parteien eine außergerichtliche Einigung.
Zum Zeitpunkt der Einigung war keine Anhängigkeit gegeben. Die frühere Anhängigkeit ist auch hier unbeachtlich. Die Einigungsgebühr richtet sich nach VV 1000. Anders wäre es, wenn die Vollstreckungsgegenklage bereits anhängig gewesen wäre.
Rz. 161
Durch das Zweite Justizmodernisierungsgesetz (in Kraft getreten am 31.12.2006) ist die Anm. zu VV 1003 um einen S. 2 ergänzt worden. In VV 1003 war bislang lediglich von einer Anhängigkeit in einem gerichtlichen Verfahren die Rede. Unklar war, wann im Rahmen der Zwangsvollstreckung wegen Anhängigkeit lediglich eine reduzierte 1,0-Einigungsgebühr anfiel. Soweit ein gerichtliches Verfahren anhängig war (z.B. §§ 888, 890 ZPO), fiel unstrittig nur die 1,0-Einigungsgebühr nach VV 1000, 1003 an. Nach überwiegender Auffassung galt gleiches, wenn der Gerichtsvollzieher mit einer Mobiliarvollstreckung beauftragt war. Insoweit wurde VV 1003 entsprechend ausgelegt. Diese Reduzierung auf 1,0 wird jetzt gesetzlich festgeschrieben (siehe dazu VV 1003 Rdn 10 ff.).