Rz. 89
Der Anwalt erhält auch dann eine reduzierte 0,8-Verfahrensgebühr, die neben der normalen Verfahrensgebühr für die in dem betreffenden Verfahren rechtshängigen Ansprüche verlangt werden kann, wenn er auftragsgemäß vor Gericht Verhandlungen zur Einigung über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche führt.
Rz. 90
Die Verfahrensdifferenzgebühr gemäß Nr. 2 entsteht dementsprechend, wenn die Parteien einen erfolglosen Einigungsversuch vor Gericht unternehmen sowie auch dann, wenn die Parteien Einigungsverhandlungen vor Gericht führen und dann beantragen, eine Einigung zu Protokoll zu nehmen.
Rz. 91
Um einen Gebührenanspruch allein durch bloße Verhandlungen entstehen zu lassen, ist es zunächst erforderlich, dass diese Verhandlungen vor Gericht geführt werden. Nicht erforderlich ist, dass die Verhandlungen in einem eigens hierfür anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung geführt werden. Auch eine Verhandlung, die in einer anderen Angelegenheit vor dem Gericht geführt wird, ist eine Verhandlung vor Gericht i.S.v. Nr. 2 und kann damit eine reduzierte 0,8-Verfahrensgebühr auslösen. Der Begriff "Verhandlung" ist nicht im zivilprozessualen Sinne zu verstehen, sondern meint die mit entsprechender Gesprächsbereitschaft beider Seiten geführten Besprechungen und Erörterungen der betreffenden Ansprüche.
Rz. 92
Daneben müssen die Verhandlungen über Ansprüche geführt werden, die nicht in dem betreffenden Verfahren rechtshängig sind. Betroffen sind also sowohl Ansprüche, die überhaupt nicht rechtshängig sind als auch Ansprüche, die in anderen Verfahren rechtshängig sind. Voraussetzung ist jedoch, dass der Anwalt einen Auftrag zur Verhandlung über diese Ansprüche im Gerichtsverfahren hat. Gegenüber dem Mandanten hat er insoweit einen Gebührenanspruch, als er von diesem zur Führung entsprechender Verhandlungen legitimiert war.
Rz. 93
Um Abrechnungsschwierigkeiten zu vermeiden, sollte der Rechtsanwalt schon bei Auftragserteilung darauf achten, dass ihm von dem Mandanten ein möglichst umfassender Auftrag erteilt wird. Denkbar wäre auch, den Mandatsvertrag auf diese Möglichkeit hin entsprechend zu ergänzen.
Rz. 94
Ferner ist darauf zu achten, dass im Protokoll der mündlichen Verhandlung derartige Verhandlungen detailliert erwähnt werden, um Nachfragen im Kostenfestsetzungsverfahren zu vermeiden.
Rz. 95
Die reduzierte Verfahrensgebühr fällt an, wenn die Tätigkeit der Anwälte über die in VV 3101 Nr. 2 Var. 1 genannten Tatbestandsmerkmale nicht hinausgeht, wenn also lediglich Verhandlungen vor Gericht zur Einigung über die in diesem Verfahren nicht rechtshängigen Ansprüche geführt werden. Wird im Termin zur mündlichen Verhandlung dagegen eine Einigung getroffen, in die auch Gegenstände einbezogen werden, war früher umstritten, ob der Reduktionstatbestand nach VV 3101 Nr. 2 eingreift. Teilweise wurde entscheidend auf den Wortlaut der Vorschrift abgestellt, die eine Reduzierung der Verfahrensgebühr für den Fall vorsah, dass der Anwalt "lediglich" vor Gericht verhandelt hat. Geschehe im Termin aber mehr, greife die Ermäßigung nicht ein, sondern es falle die volle Verfahrensgebühr aus dem Mehrwert an. Diesen Streit hat der Gesetzgeber nun durch eine klarstellende Formulierung der VV 3101 Nr. 2 dahingehend entschieden, dass auch bei erfolgreicher Verhandlung im Termin und anschließender Protokollierung eine Ermäßigung nach VV 3101 Nr. 2 eingreift.
Rz. 96
Die Frage der Erstattungsfähigkeit ist in diesen Fällen gesondert zu betrachten. Regelmäßig wird es nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlich i.S.v. § 91 ZPO angesehen werden können, dass im laufenden Rechtsstreit Verhandlungen über Themen geführt werden, die außerhalb des Prozessgegenstands liegen. Sicherlich kann es hier Ausnahmen geben. Die Grenze dürfte aber eng zu ziehen sein, um nicht das Kostenrisiko für die Parteien ausufern zu lassen.
Rz. 97
Eine Verfahrensgebühr nach VV 3101 Nr. 2 kann im Verfahren nach §§ 103 f. ZPO nur festgesetzt werden, wenn der betreffende Gegenstand rechtshängig ist. Beziehen sich die Einigungsverhandlungen der Parteien dagegen auf nicht in diesem Verfahren rechtshängige Ansprüche, scheitert eine Festsetzung der Verfahrensdifferenz- und auch der Terminsgebühr für die außergerichtliche Besprechung am fehlenden Titel, da sich die gerichtliche Kostengrundentscheidung nur auf die im Verfahren rechtshängigen Ansprüche bezieht.