Rz. 54
Hat der Prozessbevollmächtigte für seinen Auftraggeber einen gerichtlichen Termin wahrgenommen, so ist für ihn damit – unabhängig von seinen sonstigen Tätigkeiten – die volle 1,3-Verfahrensgebühr gemäß VV 3100 entstanden. Endet der ihm erteilte Auftrag nach dem Termin, ist für eine Kürzung der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 1 dementsprechend kein Raum mehr. In der Praxis wird die Verfahrensgebühr regelmäßig schon vor einer Terminswahrnehmung durch schriftliches Vorbringen entstehen. Ist dies jedoch nicht der Fall – etwa weil der Anwalt erst kurz vor dem Termin mandatiert wird – kann die volle Verfahrensgebühr auch allein durch die Terminswahrnehmung entstehen.
Rz. 55
Der Rechtsanwalt muss an einem gerichtlichen Termin teilnehmen. Der Gesetzgeber hat in den Text von Nr. 1 das Wort "Termin" durch die Wörter "gerichtlicher Termin" ersetzt, um klarzustellen, dass die Wahrnehmung eines außergerichtlichen Termins einer Ermäßigung der Verfahrensgebühr auf 0,8 nicht entgegensteht. Es genügt jeglicher Termin, solange er nur vor Gericht stattfindet (Beweistermin, Gütetermin, Protokollierungstermin etc.). Nach Sinn und Zweck der Vorschrift dürfte auch der von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumte Termin unter diese Vorschrift fallen, da der Sachverständige nach § 404a ZPO als Gehilfe des Gerichts tätig wird.
Rz. 56
Soweit in VV Vorb. 3 Abs. 3 festgelegt ist, dass die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts ausreicht, um eine volle Terminsgebühr anfallen zu lassen, hat der Gesetzgeber diese Tatbestandsvoraussetzungen auf die Terminsgebühr beschränkt. Für die Verfahrensgebühr ist die Vorschrift in Nr. 1 vorrangig, die ausdrücklich von einem gerichtlichen Termin spricht.
Rz. 57
Wahrgenommen hat der Prozessbevollmächtigte einen Termin dann, wenn er bei Aufruf der Sache (§ 220 Abs. 1 ZPO) im Gerichtsaal anwesend war in der Absicht, die Interessen seiner Partei angemessen, insbesondere bei dem Versuch einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits, zu vertreten. Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, dass der Termin von dem Gericht zusammen mit anderen Terminen allgemein aufgerufen worden ist; erforderlich ist vielmehr, dass gerade die bestimmte einzelne Sache von dem Vorsitzenden aufgerufen wird, in der Absicht, sich mit dieser nunmehr zu befassen.
Rz. 58
Im Fall einer Streitverkündung ist es zunächst erforderlich, dass der Streitverkündete seinen Beitritt zum Rechtsstreit erklärt hat. Denn ohne einen solchen Beitritt wird der Streitverkündete nicht zum Termin geladen und man kann daher nicht davon sprechen, dass es sich um einen gerichtlichen Termin handelt, den der Prozessbevollmächtigte für den Streitverkündeten wahrnimmt. Hat der Prozessbevollmächtigte des Beitretenden schriftsätzlich bereits den Beitritt seines Mandanten erklärt und darüber hinaus auch einen Antrag gestellt, wie das Gericht in der Sache selbst entscheiden solle, oder sich sonst schriftsätzlich zum Verfahrensgegenstand geäußert, ist damit eine volle Verfahrensgebühr i.H.v. 1,3 nach VV 3100 angefallen, ohne dass es zum Anfallen der Verfahrensgebühr der Wahrnehmung eines Termins insoweit bedarf.
Rz. 59
Eine Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten allein zum Zwecke der Mitteilung, dass er das Mandat niederlege, stellt keine Terminswahrnehmung dar, da es ihm nicht mehr um die Wahrnehmung der Interessen seines Mandanten geht. Ging der Erklärung des Rechtsanwalts, dass er nicht auftrete, allerdings eine Erörterung der Sach- und Rechtslage voraus, ist für eine Gebührenreduzierung nach Nr. 1 kein Raum mehr, da die Verfahrensgebühr dann bereits i.H.v. 1,3 verdient ist.
Rz. 60
Unerheblich ist, ob in dem Termin eine Sachentscheidung ergeht oder nicht oder ob der Termin nur vertagt wird. Gleichgültig ist es ferner, ob in diesem Termin der Prozessbevollmächtigte der Gegenseite erscheint oder der nicht anwaltlich vertretene Gegner. Denn anders als bei der Terminsgebühr (vgl. VV 3104, 3105) stellt das Gesetz in VV 3100, 3101 für die Entstehung der vollen 1,3-Verfahrensgebühr nicht darauf ab, ob der Gegner bzw. sein Anwalt den Termin ebenfalls wahrnehmen. Ausreichend für die Wahrnehmung eines Termins i.S.v. Nr. 1 ist demnach, dass ein solcher Termin überhaupt stattgefunden hat und der Prozessbevollmächtigte in diesem Termin zur Interessenwahrung für seinen Mandanten anwesend war.
Rz. 61
Die Stellung von Anträgen in dem Termin ist nicht erforderlich, so dass jeglicher gerichtliche Termin in Betracht kommt, also auch Termine zur Durchführung einer Beweisaufnahme, Sühnetermine oder Verkündungstermine. Dem steht die Neufassung von VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 2 nicht entgegen, wonach die Wahrnehmung eines Termins nur zur Verkündung einer Entscheidung nicht ausreicht, weil sich diese Regelung nur auf die Terminsgebühr bezieht.