Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Beziehers von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG auf Ausstellung einer kostenlosen Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Nahverkehr

 

Orientierungssatz

1. Schwerbehinderte, die im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden im öffentlichen Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist dabei, dass der Schwerbehindertenausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen die Entrichtung von 60.- €. für ein Jahr ausgegeben. Von dieser Beitragsentrichtung befreit sind Schwerbehinderte, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB 12, dem SGB 8 oder den §§ 27 a und 27 d BVG erhalten.

2. Die Vorschrift des § 145 Abs. 1 S. 5 Nr. 2 SGB 9 enthält nach ihrem Sinn und Zweck keine abschließende Regelung. Vielmehr kommt ihr die Aufgabe zu, typische Gruppen einkommensschwacher Berechtigter von der Eigenbeteiligung frei zu stellen.

3. Die Befreiung von der Pflicht zur Kostenbeteiligung ist vom Vorliegen eines Bescheides abhängig zu machen, aus dem hervorgeht, dass im Zeitpunkt der Antragstellung solche existenzsichernde Leistungen bezogen wurden; letztlich also davon, ob die Bedürftigkeit des Antragstellers von einer Behörde geprüft und festgestellt worden ist.

4. In diesen abgegrenzten Personenkreis fallen auch Bezieher von Leistungen nach § 2 AsylbLG und damit solche Personen, die Leistungen entsprechend dem SGB 12 erhalten. Auch Empfänger von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG fallen somit in den Anwendungsbereich des § 145 Abs. 1 S. 5 Nr. 2 SGB 9 und können die Ausstellung einer kostenlosen Wertmarke beanspruchen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.10.2011; Aktenzeichen B 9 SB 7/10 R)

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 20.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.08.2009 verurteilt, dem Kläger ein Beiblatt mit kostenloser Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr auszustellen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Ausstellung einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr gemäß § 145 Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger und im Besitz einer vom Kreis Aachen erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Er erhält seit dem 29.04.2005 Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) analog den Vorschriften des Sozialgesetzbuch Zwölf - Sozialhilfe (SGB XII). Seit Bescheiderteilung des Versorgungsamtes Aachen vom 23.06.2009 ist beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 50 wegen der Gesundheitsbeeinträchtigung Funktionsstörung des Herzens anerkannt. Außerdem ist das Merkzeichen G anerkannt.

Am 02.07.2009 beantragte der Kläger beim Beklagten die Übersendung des Beiblattes zum Schwerbehindertenausweis mit einer kostenlosen Wertmarke zur Inanspruchnahme der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr. Mit Bescheid vom 20.07.2009 lehnte der Beklagte die Ausstellung eines kostenfreien Beiblattes ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger erhalte keine Leistungen nach dem SGB XII, nur dann könne ihm aber nach § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX ein kostenfreies Beiblatt zustehen. Dagegen legte der Kläger am 07.08.2009 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2009 zurückgewiesen wurde. Hiergegen richtet sich die am 22.09.2009 erhobene Klage.

Der Kläger ist der Auffassung, es sei aus Gründen der Gleichbehandlung, insbesondere unter Beachtung von Art. 3 Grundgesetz (GG) nicht zu rechtfertigen, ihm nur deshalb keine kostenfreie Wertmarke zu gewähren, weil er Leistungen gemäß § 2 AsylbLG und damit nur entsprechend dem SGB XII erhalte. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung der Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII und der Bezieher von Analogleistungen über § 2 AsylbLG sei nicht zu erkennen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 20.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.08.2009 zu verurteilen, dem Kläger ein Beiblatt mit kostenloser Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr auszustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, ein kostenfreies Beiblatt stehe nur dem in § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 bis 3 SGB IX aufgezählten Personenkreisen zu. Diese Aufzählung sei abschließend. Der Kläger, der keine Leistungen nach dem SGB XII in direkter Anwendung erhalte, sondern nur Leistungen über die Verweisung des § 2 AsylbLG entsprechend dem SGB XII, falle nicht in den Anwendungsbereich des § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wir...

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