Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Höhe der fiktiven Terminsgebühr. keine eigene Ermessensausübung des Rechtsanwalts. kein Verbrauch des Ermessens. antragsgemäße Kostenfestsetzung. Geltendmachung weiterer Kosten. Nachliquidation durch ergänzenden Antrag
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmung der "fiktiven" Terminsgebühr gemäß Satz 2 der Anmerkung zu Nr 3106 VV RVG (juris: RVG-VV) ist ein reiner Rechenvorgang und erfolgt nicht durch eine diesbezüglich eigene Ermessensausübung des Rechtsanwalts. Daher kann das Ermessen durch eine fehlerhafte Berechnung auch nicht verbraucht sein.
2. Werden Kosten antragsgemäß festgesetzt, fehlt es an einer Beschwer des Kostengläubigers. Daher können weitere Kosten nicht im Wege der Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss geltend gemacht werden; allerdings steht zur Nachliquidation der Weg eines ergänzenden Antrags offen (im Anschluss an KG Berlin vom 13.11.1990 - 1 W 6522/89 = NJW-RR 1991, 768).
Tenor
1. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Mai 2017 im Verfahren S 7 SO 31/14 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen des vor dem SG Fulda geführten Verfahrens S 7 SO 31/14 (Ausgangsverfahren) von dem dortigen Beklagten und nunmehrigen Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten.
1. Das Ausgangsverfahren endete durch schriftlichen Vergleich gem. § 101 Abs. 1 S. 2 SGG, der einen Kostenerstattungsanspruch des Erinnerungsführers enthält. Daraufhin beantragte der Erinnerungsführer, die ihm zu erstattenden Kosten wie folgt festzusetzen:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG |
400,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG |
280,00 EUR |
Vergleichsgebühr, Nr. 1005 VVRVG |
400,00 EUR |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.100,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
209,00 EUR |
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1.309,00 EUR. |
Diesem Antrag entsprach der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Mai 2017.
2. Nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses teilte der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers unter dem 1. Juni 2017 mit, dass nunmehr bemerkt worden sei, dass die Terminsgebühr fehlerhaft berechnet worden war. Richtigerweise hätte eine Festsetzung wie folgt beantragt werden sollen:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG |
400,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG |
360,00 EUR |
Vergleichsgebühr, Nr. 1005 VVRVG |
400,00 EUR |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
1.100,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
224,20 EUR |
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1.404,20 EUR. |
Daher werde eine Korrektur des Kostenfestsetzungsbeschlusses beantragt.
3. Hierzu teilte der Urkundsbeamte dem Bevollmächtigten des Erinnerungsführers mit, dass das Festsetzungsverfahren mit Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses beendet und das Ermessen des Bevollmächtigten zur Gebührenbestimmung zudem verbraucht sei. Eine Korrektur sei nicht möglich; ggf. müsse Rechtsmittel erhoben werden. Unter dem 7. Juni 2017 führt der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers aus, dass bei der Bestimmung der fiktiven Terminsgebühr gem. Nr. 3106 VV RVG keine Ermessensausübung erfolge, sondern sich diese rein rechnerisch aus der Verfahrensgebühr ergebe; es werde eine Entscheidung gem. § 197 Abs. 2 SGG erbeten. Zu der damit vorliegenden Erinnerung hat der Erinnerungsgegner mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017 dahingehend Stellung genommen, dass die Auffassung des Urkundsbeamten geteilt werde.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet. Der Erinnerungsführer hat keinen Anspruch auf Änderung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbescheides; allerdings kann er eine Nachliquidation außerhalb des Erinnerungsverfahrens geltend machen.
1. Vorliegend ist das RVG in der seit 1. August 2013 geltenden Fassung anzuwenden und damit auch das entsprechende Vergütungsverzeichnis. Hiernach erhält ein Rechtsanwalt eine Terminsgebühr auch dann, wenn kein Termin stattgefunden hat, sofern "in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ( ) ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird" (so genannte "fiktive" Terminsgebühr). Hierunter sind insbesondere Vergleiche gem. § 101 Abs. 1 S. 2 SGG zu verstehen. Ein solcher Vergleichsschluss hat im Ausgangsverfahren stattgefunden. Damit ist ein Anspruch des Bevollmächtigten des Erinnerungsführers auf diese Gebühr erstanden, die entsprechend durch den Erinnerungsgegner als kostenpflichtigem Beklagten des Ausgangsverfahrens zu erstatten ist (§ 193 Abs. 3 SGG).
2. Gemäß Satz 2 der Anmerkung zu Nr. 3106 VV RVG ist die Höhe dieser fiktiven Terminsgebühr gesetzlich bestimmt auf 90 % der einem Rechtsanwalt zustehenden Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102 VV RVG. Dies führt dazu, dass das durch einen Rechtsanwalt gemäß § 14 RVG auszuübende Ermessen sich in Fällen wie dem vorliegenden nur auf die Bestimmung der Verfahrensgeb...