Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH
Orientierungssatz
1. Der Träger der Krankenversicherung entscheidet nach § 28h Abs. 2 S. 1 SGB 4 als Einzugsstelle über Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
2. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.
3. Dies gilt auch für den Geschäftsführer einer GmbH. Maßgeblich für die Beurteilung sind die vertraglichen Vereinbarungen sowie die tatsächlich praktizierten Verhältnisse.
4. Verfügt der Gesellschafter-Geschäftsführer über keine Sperrminorität und hat er keine Möglichkeit, ihm unliebsame Weisungen der Gesellschafterversammlung abzuwenden, so ist vom Bestehen einer abhängigen Beschäftigung und nicht vom Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 23. Oktober 2008 ist insoweit unwirksam, als festgestellt wird, dass der Kläger bei der Kapitalanlagen Vertriebsgesellschaft mbH in der Zeit vom 1. November 1993 bis zum 22. Dezember 1994 selbständig tätig gewesen ist.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 23. Oktober 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 29. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Januar 2001 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Kläger vom 23. Dezember 1994 bis 30. April 1998 aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 4. der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung und vom 1. Januar 1995 bis 30. April 1998 der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung unterlag.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 4/5 zu erstatten.
Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine Kosten selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 23. Dezember 1994 bis 30. April 1998 versicherungspflichtig beschäftigt war.
Der 1957 geborene Kläger und seine Ehefrau gründeten mit Gesellschaftsvertrag vom 30. September 1993 die Beigeladene zu 4. unter der Firma " Kapitalanlagen Vertriebsgesellschaft mbH". Gegenstand des Unternehmens war die Vermittlung von Versicherungen, Bausparverträgen, Investmentfonds, geschlossenen Immobilienfonds und Immobilien. Das Stammkapital betrug 50.000,00 DM, auf die Ehefrau des Klägers entfielen 49.000,00 DM, auf den Kläger 1.000,00 DM. Beide waren als Geschäftsführer einzeln vertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit. Ein gesonderter Geschäftsführungsvertrag bestand nicht. Die Gesellschaft wurde am 19. Januar 1994 beim Amtsgericht Gera ins Handelsregister eingetragen. Der Kläger teilte der Beklagten mit, dass er selbständig tätig sei, woraufhin ihn diese mit Bescheid vom 14. Dezember 1993 in die einnahmebezogene Versicherungsklasse F 11 0 01 einstufte.
Mit notariellem Vertrag vom 23. Dezember 1994 verkaufte und übertrug die Ehefrau des Klägers einen Geschäftsanteil in Höhe von 37.500,00 DM an Rechtsanwalt E. St. In diesem Vertrag wurde gleichzeitig ein Gesellschafterbeschluss gefasst, wonach sie mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführerin abberufen und Rechtsanwalt St. mit sofortiger Wirkung zum Geschäftsführer bestellt wurde. Er erhielt Einzelvertretungsmacht und war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Gleichzeitig wurde die Geschäftsführungsbefugnis des Klägers dahingehend eingeschränkt, dass er nur noch gemeinsam mit Rechtsanwalt St. vertretungsbefugt war. Die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB wurde bezüglich des Klägers aufgehoben. Ein Geschäftsführervertrag zugunsten des Klägers wurde zunächst nicht abgeschlossen, die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 27. Januar 1995.
Am 15. Juni 1995 schlossen die Beigeladene zu 4. und der Kläger mit Wirkung zum 1. Juli 1995 einen Geschäftsführervertrag. Hiernach unterlag der Kläger den Weisungen der Gesellschafterversammlung und erhielt keine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Eine bestimmte Arbeitszeit war nicht vereinbart, allerdings bestand die Verpflichtung, die ganze Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen und ohne Genehmigung keine weitere entgeltliche Tätigkeit auszuführen. Dem Kläger standen 30 Tage Erholungsurlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu. Es wurde vereinbart, dass Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen. Ab 1. Juli 1995 s...