Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Einzelrichters).
2. Die Sache wird auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden übertragen (Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Einzelrichters).
3. Die Rechtsbeschwerde wird verworfen.
4. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Wegen des Vorwurfs, er habe sich am 24.04.2020 gegen 22:30 Uhr im Hof des Anwesens ... in W. mit mindestens 6 weiteren Personen aufgehalten, von denen mehr als eine haushaltsfremd gewesen sei und dadurch gegen § 3 Abs. 1 der Dritten Thüringer Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 (im Folgenden: 3.ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO), bußgeldbewehrt in § 14 Abs. 3 Nr. 3 der genannten Verordnung, verstoßen, verhängte die Stadt W. gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 28.10.2020 eine Geldbuße in Höhe von 200,€.
Gegen diesen ihm am 30.10.2020 zugestellten Bußgeldbescheid legte der Betroffene mit bei der Stadt am 06.11.2020 eingegangenen Schreiben vom 05.11.2020 "Widerspruch" ein.
Aufgrund der auf den Einspruch des Betroffenen anberaumten Hauptverhandlung vom 11.01.2021 stellte das Amtsgericht Weimar fest, dass sich der Betroffene in den Abendstunden des 24.04.2020 zusammen mit mindestens sieben weiteren Personen im Hinterhof des Hauses ... in W. aufgehalten hat, um den Geburtstag eines der Beteiligten zu feiern, wobei sich die insgesamt acht Beteiligten auf sieben verschiedene Haushalte verteilten, erkannte, dass dieses Verhalten des Betroffenen gegen § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 der 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO vom 18.04.2020 in der Fassung vom 23.04.2020 - bußgeldbewehrt in § 14 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 der genannten Verordnung - verstieß und sprach ihn von dem so konkretisierten Tatvorwurf des Bußgeldbescheids durch Urteil vom 11.01.2021 aus Rechtsgründen mit der Begründung frei, die vorgenannten Vorschriften seien bereits aus formellen Gründen verfassungswidrig, weil diese von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Infektionsschutzgesetz nicht gedeckt seien. Das allgemeine Kontakt- bzw. Ansammlungsverbot sei überdies auch aus materiellen Gründen verfassungswidrig, weil es die in Art. 1 Abs. 1 GG als unantastbar garantierte Menschenwürde verletze oder jedenfalls nicht dem Verhältnismäßigkeitsgebot genüge.
Gegen das ihr am 20.01.2021 gemäß § 41 StPO zugestellte Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft Erfurt mit ihrem beim Amtsgericht am 21.01.2021 eingegangen, auf die Zulassungsgründe des § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG gestützten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und begründete die so gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 OWiG vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde sogleich mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
In ihrer Zuschrift an den Senat vom 29.03.2021 ist die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit dem Antrag beigetreten, die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen und auf die Rechtsbeschwerde das freisprechende Urteil des Amtsgerichts Weimar vom 11.01.2021 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Weimar zurückzuverweisen.
Hierzu hat der Betroffene Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14.05.2021 erhalten, wovon er keinen Gebrauch gemacht hat.
II.
Die Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) zuzulassen, weil bislang keine obergerichtliche Entscheidung über die Verfassungsgemäßheit der §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 14 Abs, 3 Nrn. 2 und 3 der 3. ThürSARSCoV-2-EindmaßnVO vom 18.04.2020 i.d.F. vom 23.04.2020 (GVBl. S. 135 ff., S. 145 f.) vorliegt und deshalb eine Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts geboten ist.
Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG war die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden zu übertragen.
III.
Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Der rechtlichen Beurteilung ist die zur Tatzeit geltende 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO vom 18.04.2020 i.d.F. vom 23.04.2020 (GVBl. S. 135 ff., S. 145 f.) zugrunde zu legen.
Auch wenn diese Rechtsverordnung befristet war - nach Art. 3 der 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO vom 18.04.2020 sollte diese Verordnung vollständig spätestens am 31.05.2020 außer Kraft treten - und somit zum Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts am 11.01.2021 nicht mehr in Kraft gewesen ist, steht dies ihrer Anwendung nicht entgegen. Gemäß § 4 Abs. 4 OWiG ist ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es zwischenzeitlich außer Kraft getreten ist. Der dieser Vorschrift zugrundeliegende Gesetzesbegriff ist weit aufzufassen und umfasst nicht nur Gesetze im formellen, sondern auch im mate...