Leitsatz

  • Stimmen Jahresabrechnung und Wirtschaftsplan inhaltlich überein, bilden sie einen einheitlichen Zahlungsschuldgrund

    Trotz nachträglicher Ungültigerklärung einer Abrechnung bleibt Vollstreckung aus Abrechnungstitel in Höhe des Wirtschaftsplanes zulässig

    Vollstreckungsgegenklagen sind im WE-Verfahren geltend zu machen

 

Normenkette

§ 16 Abs. 2 WEG, § 28 WEG, § 45 Abs. 3 WEG, § 767 Abs. 1 ZPO

 

Kommentar

1. Für eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO ist nach h.M. gemäß § 45 Abs. 3 WEG nicht das Zwangsvollstreckungsverfahren der ZPO, sondern das Erkenntnisverfahren des WEG nach den Vorschriften des FGG maßgebend; daher finden für solche Vollstreckungsgegenanträge gegen die Vollstreckung aus wohnungseigentumsgerichtlich rechtskräftigen Beschlüssen die Verfahrensgrundsätze und Rechtsmittel nach WEG Anwendung (h.R.M.).

2. Ein Vollstreckungsgegenantrag ist jedoch nur dann begründet, wenn eine Einwendung durchgreift, die den durch das Gericht festgestellten Anspruch selbst betrifft; die erfolgreiche Anfechtung eines Jahresabrechnungs-Genehmigungsbeschlusses stellt keine Einwendung in diesem Sinne dar, da mit Ungültigerklärung des Abrechnungsbeschlusses der ursprüngliche Wirtschaftsplan für dieses Geschäftsjahr wieder allein zum Tragen kommt und die materielle Grundlage für die Vollstreckung aus dem Titel bildet.

Das dogmatische Verhältnis von Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Zum Teil wird angenommen, dass eine Jahresabrechnungsgenehmigung den bisher beschlossenen Wirtschaftsplan ersetzt (BayObLGZ 86, 104, 106; NJW-RR 88, 1170, 1171; 1991, 723, 724; ZMR 95, 41, 44; OLG Stuttgart, OLGZ 90, 175, 178; wohl auch Bärmann/Pick/Merle, § 16 Rn. 97; Bader, WE 94, 69, 74). Nach dieser Meinung bildet allein der Beschluss über die Jahresabrechnung die Rechtsgrundlage für Ansprüche der Gemeinschaft gegen Miteigentümer auf Hausgeldzahlung; diese Auffassung kann aber nur unvollkommen begründen, auf welcher Grundlage die Hausgeldansprüche beruhen, wenn der Beschluss über die Jahresabrechnung erfolgreich angefochten worden ist; dann soll der Wirtschaftsplan wieder aufleben (so BayObLG, WE 91, 295, 296); nicht zu begründen vermag diese Meinung auch, warum der Wirtschaftsplan trotz bestandskräftiger Feststellung des Jahresabschlusses noch Grundlage für die Geltendmachung von Verzugsschäden oder von Ansprüchen gegen ausgeschiedene Wohnungseigentümer bilden kann. Letzteres ist auch der vermittelnden Auffassung des KG Berlin entgegenzuhalten, nach der der Wirtschaftsplan erst mit Bestandskraft des Beschlusses über die Jahresabrechnung seine Wirkung verliert.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH und anderer Oberlandesgerichte sowie Literaturmeinungen vertritt der Senat jedoch die Auffassung, dass die Jahresabrechnung nur insoweit eine neue und originäre Verbindlichkeit begründet, als die Jahresabrechnung über die Vorauszahlungen nach dem Wirtschaftsplan hinausgeht (BGH, MDR 96, 897, 898; NJW 94, 1866, 1867; OLG Zweibrücken, ZMR 96, 340, 341; OLG Düsseldorf, WM 96, 173; Bärmann/Pick/Merle, § 28 Rn. 92; Weitnauer, 8. Aufl. 1996, § 28 Rn. 4; Palandt-Bassenge, 56. Aufl. 1997, § 16 Rn. 25 und § 28 Rn. 6). Nur für diesen überschießenden Teil entsteht ein neuer Schuldgrund; i.Ü. hat der Beschluss über die Jahresabrechnung nur bestätigende Wirkung. Nur dieser dogmatische Ansatz vermag zu erklären, warum der ausgeschiedene Eigentümer noch nach bestandskräftiger Feststellung der Jahresabrechnung in Anspruch genommen werden kann und Verzugsschäden geltend gemacht werden können.

Die Pflicht zur Hausgeldzahlung ergibt sich auch aus § 16 Abs. 2 WEG in Verb. mit § 28 WEG; diese Instrumente Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung dienen der praktikablen Abwicklung der Dauerzahlungsverpflichtung, lassen jedoch den einheitlichen Schuldgrund unberührt. Nach WEG haben Wohnungseigentümer zunächst nach Wirtschaftsplan anteilige Vorschüsse auf die voraussichtlichen Kosten zu leisten und nach Erstellung der Abrechnung nach Ablauf des Wirtschaftsjahres sich etwa ergebende Restsalden auszugleichen (BGHZ 104, 197, 202; 108, 44, 51). Der Gesetzgeber hat damit die Verpflichtung zur Zahlung eines Hausgeldes als eine Schuld ausgestaltet, der ein einheitlicher Schuldgrund zugrunde liegt. Denkbar wären auch zwei verschiedene Schuldgründe gewesen, wie dies beispielsweise bei den Gewährleistungsrechten im Werkvertragsrecht gem. §§ 633 Abs. 3 und 635 BGB der Fall ist. Im WEG hat sich der Gesetzgeber jedoch für einen einheitlichen Anspruch entschieden.

Da Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung jedenfalls insoweit, als sie der Höhe nach übereinstimmen, als einheitlicher Schuldgrund anzusehen sind, hat die Ungültigerklärung des Beschlusses über die Jahresabrechnung auf einen diesen Betrag festzustellenden Titel keinen Einfluss. Dafür sprechen auch neben o.g. dogmatischen Überlegungen praktische Erwägungen. Würde man der Mindermeinung folgen, so müssten Eigentümer mit der Beschlussfassung über die Jahresabrech...

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