Leitsatz
1. Die Genehmigung der Beschwerdeeinlegung durch den mitsorgeberechtigten Elternteil kann auch nach Fristablauf wirksam erfolgen.
2. Wird neben der Echtheit der testamentarischen Verfügung auch die Echtheit des zur Überprüfung vorgelegten Vergleichsmaterials bezweifelt, so ist auch über die Echtheit dieses Vergleichsmaterials Beweis zu erheben.
3. Ist ein Betreuungsverfahren wegen der Vorlage einer Vorsorgevollmacht eingestellt worden, so ist dies ausschließlich dann ein Indiz gegen das Vorliegen einer Testierunfähigkeit, wenn im Rahmen der Erteilung der Vorsorgevollmacht die Geschäftsfähigkeit umfassend überprüft wurde.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Juni 2015 – 11 Wx 33/15
Sachverhalt
I. Die Beteiligten streiten im Erbscheinsverfahren darum, ob der Beteiligten zu 1 – der einzigen Tochter der Erblasserin – ein Alleinerbschein aufgrund zweier gleichlautender privatschriftlicher Testamente vom Dezember 2012 zu erteilen ist, oder die früheren notariellen Testamente wirksam bleiben, die eine teilweise abweichende Erbfolge vorsehen.
Die 1927 geborene Erblasserin, die deutsche Staatsangehörige war und zuletzt in Schutterwald gewohnt hat, ist 2013 verstorben. Zum Zeitpunkt ihres Todes war sie geschieden und hatte eine volljährige Tochter, die Beteiligte zu 1.
In einem notariellen Testament vom 8.2.2010, das am 18.2.2010 hinsichtlich einer Testamentsvollstreckerweisung ergänzt wurde, hatte die Erblasserin die Beteiligte zu 1 zu zwei Dritteln sowie zwei Enkel – die Beteiligten zu 5 und 6 – zu jeweils einem Sechstel zu nicht befreiten Vorerben eingesetzt und den Beteiligten zu 7 zum Testamentsvollstrecker ernannt. Es liegen außerdem zwei auf den 22.12.2012 datierte privatschriftliche Testamente vor, die folgenden übereinstimmenden Wortlaut haben:
Zitat
"Testament "
Fursorglich widerrufe ich alle bisherigen Verfügungen von Todes wegen mein gesamtes Vermögen vererbe ich B. S. meiner Tochter T. S.-W. geb. S. die Wohnung in München und die 4 Wohnungen in Feilnbach, die vererbe ich meiner Enkelin K. W.
Schutterwald, den 22.12.2012
B. S.“
Ob diese Testamente von der Erblasserin stammen, ist zwischen den Beteiligten streitig; ferner, ob die Erblasserin – die Echtheit vorausgesetzt – an der wirksamen Abfassung durch Testierunfähigkeit gehindert war.
Das Nachlassgericht ist auf der Grundlage eines von ihm erhobenen und auf Einwendungen ergänzten schriftlichen Schriftgutachtens zu der Überzeugung gelangt, dass die Testamente vom 22.12.2012 von der Erblasserin stammen. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit hat es – unter anderem deshalb, weil ein für die Erblasserin angeregtes Betreuungsverfahren nach Vorlage einer Vorsorgevollmacht eingestellt worden war – nicht gesehen. Es hat daher mit dem angefochtenen Beschluss angekündigt, dem Antrag der Beteiligten zu 1 entsprechen zu wollen, ihr einen Alleinerbschein zu erteilen. Dagegen richten sich Beschwerden der Beteiligten zu 3 und 4 sowie 6, denen das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat. Die Beschwerdeführer verfolgen den Fälschungseinwand – mit Angriffen gegen die Echtheit des Vergleichsmaterials und gegen die Qualifikation des Gutachters – weiter und halten auch ihre Auffassung weiter aufrecht, dass die Erblasserin jedenfalls testierunfähig gewesen sei.
Die Beteiligte zu 1 ist den Beschwerden entgegengetreten.
Aus den Gründen
II. Die nach §§ 58, 352 FamFG zulässigen Beschwerden haben in der Sache vorläufigen Erfolg. Sie führen zur Zurückverweisung an das Nachlassgericht, weil dessen Verfahren unter einem wesentlichen Mangel leidet, vor einer Sachentscheidung eine aufwändige Beweisaufnahme erforderlich wäre, die Zurückverweisung von einem Beteiligten beantragt worden ist (§ 69 Absatz 1 Satz 3 FamFG) und der Senat sein Ermessen zugunsten einer Zurückverweisung ausgeübt hat.
A. Die für die minderjährigen Beteiligten zu 3 und 4 eingelegten Beschwerden sind statthaft.
a) Für die Beteiligte zu 3 konnte deren Mutter – die Beteiligte zu 2 – die Beschwerde allein einlegen, weil sie nach der Bescheinigung des Jugendamtes nach § 58 a SGB VIII allein sorgeberechtigt ist.
b) Die Beschwerdeeinlegung für den Beteiligten zu 4, die zunächst nur durch die Beteiligte zu 2 erfolgt ist, hat der mitsorgeberechtigte Vater durch das Schreiben vom 28.5.2015 genehmigt. Zwar sind Genehmigungen als einseitige Rechtsgeschäfte bedingungsfeindlich, sodass ihrer Wirksamkeit an sich die Erklärung des Vaters entgegenstünde, er billige die Beschwerdeeinlegung nur unter der Bedingung, dass er unterhaltsrechtlich von dem Verfahrenskostenrisiko freigestellt werde. Nachdem er indes gleichzeitig eine Freistellungserklärung der Mutter des Kindes eingereicht hat, die er selbst für ausreichend erachtet hat ("entsprechende Freistellungserklärung"), legt der Senat die Erklärung des Vaters dahin aus, dass dieser von einer Erfüllung der Bedingung ausgeht. Ob die Freistellungserklärung wirksam und inhaltlich ausreichend ist, hat der Senat vor diesem Hintergrund nicht zu prüfen.
Dass die Genehmigungserklärung erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erk...