Leitsatz
Nur bei Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten, die Anlass zu Zweifeln an der Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung geben, ist die Hinzuziehung eines psychiatrischen Sachverständigen erforderlich. Allein der Umstand, dass der Erblasser sich im fortgeschrittenen Stadium einer Krebserkrankung befunden hat, stellt keinen solchen Anhaltspunkt dar.
OLG Bamberg, Beschluss vom 18. Juni 2012 – 6 W 20/12
Sachverhalt
Am xx.5.2009, einen Tag vor seinem xx. Geburtstag, erlag der Erblasser A. in B. unverheiratet und ohne Kinder seiner Krebserkrankung. In den letzten Jahren vor seinem Tod lebte der Erblasser mit der Beteiligten zu 2) zusammen. Am xx.5.2009, sieben Tage vor seinem Ableben, errichtete er in seinem Wohnanwesen in N. ein notarielles Testament (URNr. xxx/2009, Notar C., xxx; Bl 21-25 dA). In diesem setzte er die Beteiligte zu 2) zu seiner Alleinerbin sowie deren Tochter S. zur Ersatzerbin ein und schloss seine beiden Schwestern, die Beteiligten zu 1) und zu 3) (Beschwerdeführerinnen), sowie deren Abkömmlinge von jeder Erfolge aus.
Die Beteiligte zu 2) beantragte die Erteilung eines auf sie lautenden Erbscheins. Die Beschwerdeführerinnen halten das notarielle Testament hingegen für unwirksam, weil der Erblasser testierunfähig gewesen sei.
Das Nachlassgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 2.3.2012 (Bl 236 ff dA) angekündigt, den von der Beteiligten zu 2) beantragten Erbschein erteilen zu wollen. Zweifel an der Wirksamkeit des formgültigen Testaments bestünden nicht. Das Gericht sei von der Testierfähigkeit des Erblassers überzeugt. Aus der Stellungnahme des beurkundenden Notars ergebe sich, dass die Beurkundung wegen der schweren Erkrankung des Erblassers in dessen Haus erfolgt sei. Der Erblasser sei voll informiert gewesen. In der ausführlichen Besprechung seien keinerlei Einschränkungen im Verständnis des Erblassers festzustellen gewesen. Die handschriftlich vorgenommenen inhaltlichen Abänderungen seien allesamt aufgrund des eingehenden Gesprächs mit dem Erblasser erfolgt. Vor diesem Hintergrund bestünden keine durchgreifenden Zweifel an der Testierfähigkeit, zumal die Beschwerdeführerinnen keine substanziierten Anknüpfungspunkte für eine Testierunfähigkeit vorgebracht hätten. Auf den Beschluss wird im Übrigen Bezug genommen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde machen die Beschwerdeführerinnen weiterhin die Unwirksamkeit des notariellen Testaments wegen Testierunfähigkeit des Erblassers geltend und bestreiten daher die Erbenstellung der Beteiligten zu 2). Vielmehr seien sie beide aufgrund gesetzlicher Erbfolge jeweils zu 1/2 Miterbinnen geworden. Das notarielle Testament gehe auf einen Auftrag der Beteiligten zu 2) zurück, die zur Erreichung von für sie positiven wirtschaftlichen Ergebnissen nicht vor unlauteren Mitteln zurückschrecke. Das Nachlassgericht habe es trotz entsprechenden Antrags unterlassen, den Hausarzt des Erblassers, Facharzt für Allgemeinmedizin D., zur Frage der Testierfähigkeit zu hören, und auch kein Sachverständigengutachten eingeholt.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 11.3.2012 (Bl 247 dA) nicht abgeholfen. Der Senat hat eine schriftliche Stellungnahme des Hausarztes angefordert, die dieser am 26.4.2012 eingereicht hat (Bl 251 dA). Auf den Inhalt der Stellungnahme wird verwiesen. Hierzu hatten die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme, von der sie Gebrauch gemacht haben. (...)
Aus den Gründen
Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, nachdem die Beschwerdeführerinnen durch die angekündigte Erbscheinserteilung beschwert wären, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere binnen der Monatsfrist gemäß § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 2 FamFG eingelegt worden.
Sie ist jedoch unbegründet. Wie das Nachlassgericht ist auch der Senat nach Durchführung der ergänzenden Beweisaufnahme von der Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments vom xx.5.2012 überzeugt. Belastbare Anhaltspunkte für die von den Beschwerdeführerinnen vermutete Testierunfähigkeit sind nicht zu erkennen.
1. Der das Testament beurkundende Notar C. hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 17.1.2012 (Bl 228 f dA) dargelegt, dass der Beurkundung ein eingehendes Gespräch mit dem Erblasser vorausgegangen sei. Damit korrespondiert die Testamentsurkunde, auf der sich zur Person der Ersatzerbin und insbesondere zur Enterbung der Beschwerdeführerinnen und ihrer Abkömmlinge handschriftliche Abänderungen bzw. Ergänzungen finden, die auch eine inhaltliche Korrektur darstellen. Dies dokumentiert, dass das Testament den Willen des Erblassers wiedergibt. Dazu, dass er sich diesen ohne Einschränkungen frei bilden konnte, schließt sich der Senat der ausführlichen und zutreffenden Würdigung der Stellungnahme des Notars durch das Nachlassgericht an.
Dass die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) sowie der Ausschluss der Beschwerdeführerinnen von der Erbfolge dem selbstständig und bereits deutlich vor der präfinalen Krankheitsphase gebildeten Willen des Erblassers ...