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In jüngster Zeit ist eine Diskussion um eine mögliche Doppelbesteuerung von Leistungen liechtensteinischer Stiftungen an deutsche Begünstigte aufgekommen. Deutsche Finanzverwaltungen vertreten offenbar neuerdings stellenweise die Auffassung, dass von der satzungsmässigen Zweckdefinition gedeckte Stiftungsleistungen, die von ausländischen Stiftungen an inländische Begünstigte ausgekehrt werden, nicht nur – wie bei einer inländischen Familienstiftung – mit Einkommensteuer gem. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG, sondern zusätzlich auch mit einer Schenkungsteuer gem. § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 2. Ts; ErbStG belegt werden müssten. Auch einzelne Finanzgerichte und der BFH haben sich in letzter Zeit mit dieser Fragestellung befasst. Der Beitrag zeigt, dass die Auffassung der Finanzverwaltung aus einer Vielzahl von Gründen unzutreffend ist und die Besteuerung von Ausschüttungen liechtensteinischer Stiftungen an in Deutschland ansässige Begünstigte den gleichen Regeln folgen muss, wie der Ausschüttungen von deutschen Familienstiftungen.
1. Einleitung
Ausländische Familienstiftungen, insbesondere aus Liechtenstein, aber auch aus Österreich, sind aufgrund ihrer zivilrechtlichen Ausgestaltungsfreiheiten für deutsche, aber auch für schweizerische Rechtsanwender für die Organisation der Unternehmens- und Vermögensnachfolge attraktiv geworden. Ehemals bestehende Bedenken seitens der Finanzverwaltungen hinsichtlich der "Steueroasen" Liechtenstein und Österreich konnten durch den Abschluss von flächendeckenden modernen Doppelbesteuerungsabkommen mit umfassenden Informationsaustauschklauseln in Steuerfragen ausgeräumt werden.
Die erst jüngst in Deutschland entstandene Diskussion um angeblich bestehende "Rechtsunsicherheiten" im Zusammenhang mit einer möglichen Doppelbesteuerung von Stiftungsleistungen mit Einkommen- und Schenkungsteuern, die von ausländischen Familienstiftungen an deutsche Begünstigte ausgekehrt werden, behindert stellenweise die der Vollendung des europäischen Binnenmarktes förderliche und auch deswegen politisch gewollte Nutzung von grenzüberschreitend errichteten Vermögensstrukturen durch deutsche Stifter.
Der vorliegende Aufsatz soll nach einer kurzen Beschreibung des historischen Kontextes der zur Diskussion stehenden Rechtsnormen (Abschnitt 2) den aktuellen Sach- und Diskussionsstand darstellen (Abschnitt 3) und einer kritischen Würdigung (Abschnitt 4) unterziehen. Hierbei erfolgt insbesondere eine in der Literatur bislang – soweit ersichtlich – nicht erfolgte Würdigung der europarechtlichen und staatsvertraglichen Rahmenbedingungen für die Besteuerung von Stiftungsleistungen im Zusammenhang mit den für die deutsche Rechtspraxis primär relevanten Auslands-Stiftungsstandorten Liechtenstein und Österreich.
2. Hintergrund
a) Anlass: Position der Finanzverwaltung
Deutsche Finanzverwaltungen vertreten stellenweise die Auffassung, dass Stiftungsleistungen, die von ausländischen Stiftungen an inländische Begünstigte ausgekehrt werden, nicht nur – wie bei einer inländischen Familienstiftung – mit Einkommensteuer gem. § 20 Abs. 1 Nr. 9, sondern zusätzlich auch mit einer Erbschaftsteuer gem. § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 2. Ts ErbStG belegt werden müssten.