II.

Die nach §§ 58 Abs. 1, 352e FamFG statthafte und nach §§ 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 2, 64 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Der Beteiligte zu 1) ist nicht aufgrund des Testaments vom 26.6.2014 Alleinerbe der Erblasserin geworden, weil sie dieses Testament wirksam durch weiteres Testament vom 16.1.2020 widerrufen hat.

a) Die Erblasserin war nicht gem. § 2271 Abs. 2 BGB an der Errichtung des Widerrufstestaments vom 16.1.2020 gehindert, da es sich bei den Testamenten der Erblasserin und ihres Ehemannes vom 26.6.2014 nicht um ein gemeinschaftliches Testament gem. §§ 2265 ff. BGB handelt. Auf die Frage der Wechselbezüglichkeit der in den Testamenten vom 26.6.2014 getroffenen Verfügungen kommt es danach nicht an.

aa) Zwar kann ein gemeinschaftliches Testament durch Ehegatten nicht nur in einer einheitlichen, sondern auch in zwei getrennten Urkunden errichtet werden. In dem Fall liegt ein gemeinschaftliches Testament jedoch nur dann vor, wenn aus den einzelnen Urkunden selbst erkennbar ist, dass der Wille der Ehegatten, gemeinsam über den Nachlass zu verfügen, zu einer gemeinschaftlichen Erklärung geführt hat. Es ist daher zunächst anhand der beiden einzelnen Testamente festzustellen, ob die von dem Gesetz geforderte gemeinschaftliche Erklärung vorliegt. Erst danach kann deren Inhalt im Wege der Auslegung auch unter Heranziehung von Umständen außerhalb der Testamentsurkunden ermittelt werden. Für die Annahme einer solchen gemeinschaftlichen Erklärung ist es dabei nicht ausreichend, dass die beiden Einzelurkunden am gleichen Tag und Ort und mit im Wesentlichen gleichem Inhalt errichtet worden sind, wenn sie darüber hinaus keine Anhaltspunkte dafür enthalten, dass die Eheleute als gemeinschaftlich erklärend aufgetreten sind (BGHZ 9, 113 ff.; OLG Hamm, Beschl. v. 18.12.1978, 15 W 246/78; OLG Zweibrücken, FamRZ 2003, 1415 f.; OLG München, FamRZ 2008, 2234 ff.).

bb) Nach diesen Maßstäben hat das Nachlassgericht zutreffend das Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testaments im Sinne des § 2265 BGB durch die beiden Testamente vom 26.6.2014 verneint.

Die Testamente sind zwar von der Erblasserin und ihrem Ehemann am gleichen Tag und Ort mit gleichem Aufbau und im Wesentlichen identischem Inhalt errichtet worden. Aus den Urkunden selbst ergibt sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür, dass es sich hierbei nach dem seinerzeitigen Willen der Erblasser um eine gemeinschaftliche Erklärung und nicht lediglich um inhaltlich übereinstimmende Einzeltestamente handeln sollte. Beide Verfügungen führen nur das eigene Vermögen des jeweiligen Ehegatten auf und sind durchgehend ausschließlich in der Ich-Form formuliert. Es fehlt jede inhaltliche Bezugnahme beider Urkunden aufeinander, so dass keines der Testamente Rückschlüsse auf die Existenz eines inhaltsgleichen Testaments des anderen Ehegatten zulässt.

Auch aus dem Inhalt der getroffenen Verfügungen lässt sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit auf eine gemeinschaftliche Erklärung der Eheleute schließen. Soweit sie in Bezug auf die damals in ihrem Miteigentum stehende Immobilie Istraße 0 in J inhaltsgleiche Verfügungen getroffen haben, nach denen im Ergebnis der Beteiligte zu 1) nach dem Tod beider Ehegatten Alleineigentümer der Immobilie werden und dann die Pflichtteilsansprüche der Beteiligten zu 2) und 3) in Bezug auf den Gesamtwert der Immobilie erfüllen sollte, so ergibt sich hieraus zuverlässig nur, dass sich die Eheleute insoweit inhaltlich abgestimmt haben. Mangels anderweitiger weiterer Hinweise in den einzelnen Testamenten ist dies zur Feststellung einer gemeinschaftlichen Erklärung nicht ausreichend, da anderenfalls bei inhaltlich aufeinander abgestimmten Verfügungen in zwei Einzeltestamenten immer das Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testaments im Sinne des § 2265 BGB zu bejahen wäre. Das ist jedoch nach der dargelegten ständigen Rechtsprechung gerade nicht der Fall.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Erblasserin das Original ihres Testaments ihrem Ehemann zur gemeinschaftlichen Aufbewahrung beider Testamente ausgehändigt haben soll. Dies ist angesichts der Tatsache, dass die Eheleute in ihren Testamenten nicht als gemeinschaftlich erklärend aufgetreten sind, unerheblich.

b) Das Widerrufstestament der Erblasserin vom 16.1.2020 ist wirksam, insbesondere war die Erblasserin nicht infolge einer Testierunfähigkeit im Sinne des § 2229 Abs. 4 BGB an der Errichtung des Widerrufstestaments gehindert.

Nach § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Da die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist der Testator so lange als testierfähig anzusehen, wie nicht die Testierun...

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