Leitsatz
1. Die §§ 352 Abs. 3, 353 FamFG erlauben nicht die Einziehung eines Eröffnungsprotokolls nebst notarieller letztwilliger Verfügung.
2. § 49 FamFG erlaubt dem Nachlassgericht nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen ein anderes Mitglied einer Erbengemeinschaft auf Verbot eines bestimmten Verhaltens. Vielmehr gelten die allgemeinen Regelungen über vorläufigen Rechtsschutz.
AG Halle (Saale), Beschluss vom 19. Januar 2012 – 40 VI 128/12 – W
Sachverhalt
Nach dem Tod der Erblasserin besteht zwischen den Beteiligten Streit über die Wirksamkeit des notariellen Testaments der Erblasserin vom 20.3.2008 (Bl 10/11).
In einem Verfahren auf Bestellung eines Betreuers für die Erblasserin zu deren Lebzeiten hat zuletzt das OLG Naumburg Vollmachten der Erblasserin vom 12.2.2007 und 6.7.2009 für unwirksam erklärt. Die Antragsteller beantragen über ihren Verfahrensbevollmächtigten:
1) die vom Amtsgericht Halle – Nachlassgericht – am 13.1.2012 (Aktenzeichen 40 IV 404/08-T) ausgefertigte und den Antragsgegnern ausgehändigte beglaubigte Abschrift des Protokolls über die Eröffnung der letztwilligen Verfügung der N.N., zuletzt wohnhaft … Halle, und der darin bezeichneten letztwilligen Verfügung vom 20.3.2008, einzuziehen.
2) den Antragsgegnern wird es einzelnen und/oder zusammen verboten, weitergehend im Rechtsverkehr zum Zwecke der Legitimation die beglaubigte Abschrift des Protokolls über die Eröffnung der letztwilligen Verfügung vom 13.1.2012 der N.N., zuletzt wohnhaft …, Halle, und der darin bezeichneten letztwilligen Verfügung vom 20.3.2008, zu verwenden und/oder unter Vorlage dieser über Nachlassgegenstände zu verfügen. (...)
Aus den Gründen
1) Die beiden erhobenen Anträge sind unbegründet bzw. bereits unzulässig. Ein einstweiliges Anordnungsverfahren auch in Nachlasssachen ist nach § 49 FamFG grundsätzlich möglich. Ein solches Verfahren muss nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt sein. Ferner muss ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden bestehen.
Diese Voraussetzungen sind für das hier eingeleitete Verfahren nicht gegeben.
2) Der erhobene Antrag Nr. 1 auf Einziehung des Protokolls über die Eröffnung des Testaments und der darin eröffneten letztwilligen Verfügung vom 20.3.2008 ist unbegründet.
2.1) Zwar ist den Antragstellern zuzugeben, dass das FamFG ein Einziehungsverfahren kennt. Ein solches Einziehungsverfahren gibt es nach den §§ 2361 BGB, 352 Abs. 3, 353 FamFG aber nur in Hinsicht auf die Einziehung eines Erbscheins. Dieses Verfahren ist indes daran geknüpft, dass überhaupt erst ein Erbschein erlassen worden ist, der seinerseits Grundlage ist für den durch den Erbschein ermöglichten gutgläubigen Erwerb (§ 2366 BGB).
2.2) Hinsichtlich des Eröffnungsprotokolls und der Mitteilung über den Inhalt des Testaments ist ein solches Einziehungsverfahren dem Wortlaut nach nicht vorgesehen. Es ist auch nach Sinn und Zweck des Einziehungsverfahrens nicht erforderlich, diese Urkunden einzuziehen, da durch sie ein öffentlicher Glaube nach dem BGB nicht geschützt wird.
2.3) Vielmehr bestimmt das Gesetz gemäß § 348 Abs. 3 FamFG im Gegenteil, dass das Gericht den Beteiligten "den sie betreffenden Inhalt der letztwilligen Verfügung von Todes wegen schriftlich bekannt zu geben" hat. Dem hat der Rechtspfleger entsprechend der "bewährten und verbreiteten Praxis" (s. Bumiller/Harders, FamFG, 9. Aufl., § 348 Rn 19) durch Aushändigung einer beglaubigten Abschrift des Protokolls und der darin bezeichneten letztwilligen Verfügung Folge geleistet.
2.4) Soweit vor dem Inkrafttreten des FamFG eine Möglichkeit bestanden hat, Rechtsbehelfe einzulegen gegen die an sich sehr empfehlenswerte – nach Art eines Vorbescheides entwickelte – Ankündigung, ein Schriftstück zu eröffnen, ist diese entfallen, da nunmehr nur noch Endentscheidungen anfechtbar sind (s. OLG Köln, Entscheidung vom 29.10.2010 – I-2 Wx 161/10, 2 Wx 161/10 unter Nr. 13, zitiert nach juris vom 19.1.2012; Bumiller/Harders, FamFG, 9. Aufl., § 348 Rn 23 unter Hinweis auf § 58 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 FamFG).
2.5) Soweit die Antragsteller befürchten sollten, dass die Antragsgegner nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO beim Grundbuchamt mit den im Antrag Nummer 1 genannten Unterlagen einen Erbnachweis führen, steht es ihnen frei, eine einstweilige Anordnung nach der Spezialvorschrift des § 76 GBO zu beantragen.
2.6) Soweit Banken bzw. Sparkassen nach ihren AGB zum Nachweis von Erbrechten die Vorlage von Eröffnungsprotokollen mit notariellen Testamenten ausreichen lassen, ist die Einziehung des Eröffnungsprotokolls nebst notariellem Testament auch nicht in eventuell entsprechender Anwendung der §§ 2361 BGB, 352 Abs. 3, 353 FamFG geboten. Den Geldhäusern wird nur ein Ermessen eingeräumt, ob sie sich mit weniger bzw. anderem als mit einem Erbschein begnügen wollen oder nicht (Palandt/Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 2353 Rn 22). Hinsichtlich der Ausübung dieses vertraglichen Ermessens durch das Geldhaus stünden ggfs. den Antragstellern aus dem Vertrag der Erblasserin mit dem je...