Leitsatz
Erfolgt eine gerichtliche Zuweisung eines landwirtschaftlichen Betriebs gem. den §§ 13 ff GrdstVG anhand des mutmaßlichen Erblasserwillens, so hat ein Abkömmling des Erblassers keinen grundsätzlichen Vorrang vor einem überlebenden Ehepartner.
Im Rahmen der gerichtlichen Ermittlung des mutmaßlichen Erblasswillens ist von erheblichem Gewicht, wenn der landwirtschaftliche Betrieb längere Zeit von dem Erblasser gemeinsam mit dem überlebenden Ehepartner geführt wurde.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 7. Mai 2015 – 5 W (Lw) 7/14
Sachverhalt
Die Beteiligten sind aufgrund gesetzlicher Erbfolge in ungeteilter Erbengemeinschaft nach dem am 14.2.2008 verstorbenen J ... H ... verbunden, dem Ehemann der Beteiligten zu 2, geb. am ... 6.1949, und Vater der Beteiligten zu 1, geb. am ... 8.1970, einer ausgebildeten Landwirtin, und der S ... G ..., geb. am ... 8.1971 (Erbschein Anlage A 13 GA). Zum Nachlass gehört ein landwirtschaftlicher Betrieb, der seit dem Erbfall im Wesentlichen von der Beteiligten zu 2 bewirtschaftet wird. Die Miterbin G ... hat ihren Anteil an der Erbschaft auf die Beteiligte zu 1 übertragen (Anlagen A 33 f). Infolgedessen steht der Nachlass beiden Beteiligten nunmehr gleichanteilig zu.
Die Beteiligten haben wechselseitig beantragt, ihnen den landwirtschaftlichen Betrieb, dessen Gegenstände außer Streit stehen, gerichtlich zuzuweisen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der landwirtschaftliche Betrieb über eine zur Bewirtschaftung geeignete Hofstelle verfügt und seine Erträge im Wesentlichen zum Unterhalt einer bäuerlichen Familie ausreichen.
Zur Ermittlung des Willens des Erblassers, welchem Miterben der Betrieb zugedacht war, hat das Landwirtschaftsgericht – unter Mitwirkung nicht der erkennenden Landwirtschaftsrichter – Zeugenbeweis erhoben (Dr. L ..., Gr ..., Ho ... und W ... H ..., Sitzungsniederschriften vom 18.1. und 15.2.2013, 290 ff GA und 432 ff GA) und die Miterbin G ... persönlich angehört (ebd.). Es hat sodann, gestützt insbesondere auf die Bekundungen der Zeugin Dr. L ... sowie ein vom 10.12.2008 datierendes formunwirksames sog. Nottestament, dafür gehalten, dass der Betrieb nach dem wirklichen Willen des Erblassers seiner Ehefrau zugedacht war.
In dem von der Zeugin Dr. L ... handschriftlich geschriebenen Nottestament ist beurkundet (Anlage A 14):
Zitat
"P ..., den 10.12.2008 "
Testament
Hiermit bestimme ich, J ... H ..., G ..., für den Pflegefall und im Falle meines Todes, dass meine Eltern im Hause ... Str. 63 wohnen bleiben solange sie möchten auf Lebenszeit. Für den Fall meines Todes bestimme ich: Die Landwirtschaft, alle beweglichen Sachen (Jagdsachen, Kühe, Traktoren, Möbel usw.) und die Landtechnik erbt meine Ehefrau U ... H .... Das Haus einschließlich Grundstück erben zu gleichen Teilen meine Töchter D ... H ... und S ... H .... Das Grundstück in L ... erben meine Töchter ebenfalls zu gleichen Teilen.“
Die Urkunde schließt mit den Unterschriften des Erblassers, der Zeugin Dr. L ... und einer Krankenschwester, der Zeugin S ... B ...
Der Behauptung der Beteiligten zu 1, der Erblasser sei zu diesem Zeitpunkt aufgrund der medikamentösen Behandlung seiner fortgeschrittenen Krebserkrankung nicht mehr geschäftsfähig gewesen, ist das Landwirtschaftsgericht mit der Begründung nicht nachgegangen, dass sich dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte, insbesondere aus der Patientenakte ergeben hätten und darüber hinaus aufgrund des Zeugnisses Dr. L ... zur Überzeugung des Gerichts feststehe, dass der Erblasser auch in dem Zeitraum vor Errichtung des Nottestaments wiederholt seinen Willen kundgetan habe, den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Ehefrau zu übertragen.
Die an die Beteiligte zu 1 von der Beteiligten zu 2 zu zahlende Abfindung hat das Landwirtschaftsgericht auf 86.000 EUR bestimmt, nachdem es den Ertragswert des landwirtschaftlichen Betriebes bei Erbfall sachverständig beraten mit 172.000 EUR ermittelt hat (Beweisbeschluss vom 28.6./9.8.2013, 575/583 GA; Gutachten vom 2.11.2013, 663 ff GA; Ergänzungen vom 11.12.2013/763 ff GA, vom 18.1.2014/795 f GA und vom 22.2.2014/826 ff GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Zuweisungsentscheidung wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Beteiligte zu 1, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses nach ihren im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen, mithin ihr den landwirtschaftlichen Betrieb unter Stundung der Abfindung zuzuweisen.
Die Beteiligte zu 1 rügt, dass der Zeugenbeweis nicht unter Mitwirkung der erkennenden Landwirtschaftsrichter erhoben worden sei. Sie beanstandet die Beweiswürdigung des Landwirtschaftsgerichts insbesondere im Hinblick darauf, dass es den Inhalt des Nottestaments nicht vollständig gewürdigt habe, indem es die Zuwendung der Hofstelle an die Töchter des Erblassers außer Acht gelassen habe. Zudem seien die aus dem persönlichen Umfeld des Erblassers stammenden Aussagen der Zeugen Ho ... und Gr ... "grob fehlerhaft" untergewichtet worden sowie die atheistische Gesinnung des...